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☆☆ Dritter Bericht von Luca Spring, fünfzehnter Stipendiat der Grünwald Stiftung ☆☆

„Karoshi“ (過労死) bedeutet „sich zu Tode arbeiten“ und ist ein Ausdruck, den es wohl nur im Japanischen gibt. Nachdem ich schon in Europa von diesem Begriff gehört hatte, kam ich also mit einer leicht voreingenommenen Haltung nach Japan. Wie gestaltet sich der japanische Arbeitsalltag, welchen Stellenwert hat ein Arbeitgeber und was ist an den Stereotypen dran? Diese Fragestellungen durfte ich in den vergangenen Wochen vertiefen.

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Denn ich hatte die große Ehre, eine knappe Woche lang Arbeitsluft zu schnuppern bei Yanmar, einem japanischen international tätigen Maschinenbauunternehmen. Zu den Kernprodukten gehören Motoren für Boote und Schiffe sowie Baumaschinen und Traktoren. Mein besonderer Dank gilt der Firma Yanmar, Herr Yamaguchi, Herr Yukino, Herr Matsumoto und Frau Kano für die beeindruckenden Tage im Unternehmen, die tolle Organisation und die Zeit und Muße, meine Fragen zu beantworten und mir so die japanische Arbeitskultur ein weiteres Stück näher zu bringen. Herzlichen Dank!

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Während meines Aufenthalts bei Yanmar durfte ich nicht nur die organisationale Struktur des Firmengruppe, ihre Kerngeschäfte, Firmengeschichte und Kultur kennenlernen, sondern auch erfahren, welchen Veränderungen und Herausforderungen japanische Konzerne heute gegenüberstehen. Wechselnde Arbeitsanforderungen, Chancengerechtigkeit und Vielfalt am Arbeitsplatz, eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie – all diese Thematiken kommen mir aus Deutschland bekannt vor.

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Neben klassischen Fragstellungen aus dem Personalmanagement erhielt ich zudem spannende Einblicke in Bereiche des Brand Management und des Produktionsressorts. Hier durfte ich gleich mehrere Entwicklungs- und Fertigungsstätten des Unternehmens besuchen und hatte das Privileg, durch die Fabrikanlagen in Nagahama, Kurashiki, Okayama und Kurume geführt zu werden.

Besonders beeindruckt haben mich die herzlichen und offenen Mitarbeiter, die faszinierende, arbeitnehmerorientierte und nachhaltige Architektur des Yanmar-Headquarters in Osaka und die stark automatisierten, sauberen und äußerst fortschrittlichen Fertigungsbetriebe. Besonders in den Fabriken hatte ich die einmalige Möglichkeit, in die Philosophie des japanischen Operations Managements einzutauchen und Konzepte wie Kaizen hautnah erleben zu dürfen.

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Die Zeit bei Yanmar ließ mich auch einige meiner Vorurteile gegenüber der japanischen Arbeitsmentalität teils ablegen beziehungsweise anpassen. So scheint es mir, dass lange Überstunden und das Vernachlässigen der Gesundheit für die Arbeit keineswegs mehr die Regel in Japan sind, sondern ein gesteigertes Verlangen nach Vereinbarkeit zwischen Arbeit und Familie und einer stärkeren Trennung zwischen Arbeit und Privatem erfolgt. Sicherlich gibt es einige Fälle, in denen auch heute noch bis zum Umfallen arbeiten. Ein Blick auf die Statistik jedoch zeigt, dass nur knapp jeder Fünfte Japaner heute mehr als 49 Stunden die Woche arbeitet, inklusive Pausen. Daher ist der Ausdruck heute „Karoshi“ eher nicht repräsentativ.

Bestätigt hat sich für mich die Annahme, dass japanische Angestellte ein gesteigertes Loyalitätsempfinden gegenüber ihrem Arbeitgeber haben. Dies spiegelt sich in zahlreichen Aspekten des Alltags wider. Zum einen arbeiten Japaner im Schnitt deutlich länger im gleichen Unternehmen, oft sogar ihr gesamtes Leben lang. Auch wenn sich diese Tradition im Wandel befindet, scheint mir der sichere lebenslange Arbeitsplatz doch die Norm zu sein. Das gesteigerte Kommittent und das enge Verhältnis gegenüber dem Arbeitsgeber lässt sich auch in den regelmäßigen abendlichen Verabredungen mit den Kolleginnen und Kollegen erkennen. Beeindruckend fand ich zudem, dass Mitarbeiter stets um ein positives Erscheinungsbild ihres Unternehmens im Kopf haben. Sind sie durch Uniform oder umhängendes Namensschild als Mitarbeiter gekennzeichnet, vermeidet man es beispielsweise in der Öffentlichkeit über eine rote Ampel zu gehen.

Für die spannenden Einblicke und Erfahrungen: どうもありがとうございました!