☆☆☆Funfter Bericht von Felicitas Künlen, dreiundzwanzigste Stipendiatin der GRÜNWALD STIFTUNG☆☆☆
Ich bin am Ende meines Aufenthaltes in Japan. Noch vier Tage verbleiben, dann werde ich am 30. Mai wieder in mein heimisches Grünwald zurückfliegen. Die Zeit ist einerseits gerast, anderseits habe ich in den drei Monaten gefühlt mehr erlebt, als in sechs Monaten zuhause. Skifahren in Hakuba? Tagesausflug nach Tokio? Hausschwein-Café? Oder das Streicheln von Wasabi? Mir kommt es vor, als wären diese Erlebnisse vor einem guten Jahr gewesen, dabei sind sie erst knapp 12 Wochen her.
Vor allem der letzte Monat ist sehr reiseintensiv – viele Eindrücke werde ich wohl erst daheim richtig verarbeiten können. Zusammen mit meiner Mutter besichtige ich Kanazawa und spaziere durch den berühmten Park mit seinen Bächen und Teichen und besuchen eine Teezeremonie, ehe wir am fünften Mai nach Kumano fahren. Kumano ist bekannt für seinen ,,Kumano Nachi-Taisha“: Ein roter Schrein, der vor einem malerischen Wasserfall steht. Ein paar Wochen zuvor wurde mir ,,zufällig“ dieser als Hintergrundbild auf dem Laptop angezeigt. Neugierig wie ich bin, wollte ich ihn unbedingt mit eigenen Augen sehen. Um den Pilgerweg nicht zu Fuß beschreiten zu müssen, fährt uns Oka netterweise mit seinem Auto hin. Entlang die Küste Japans mit einem türkisfarbenen Meer und unzählige Tsunami-Warnschilder später bestaunen wir erst den ,,Kumano Nachi-Taisha“- und anschließend den weltbekannten Ise-Schrein. Kein Ort ist den Japanern heiliger als dieser! Danke dir lieber Oka, dass ich dort nicht zu Fuß hingehen musste…
Mit Mami im berühmten Kenroku-en Garten in Kanazawa
Wir wohnen einer traditionellen Teezeremonie bei
Ausflug mit Oka zum schönen Kumano Nachi-Taisha-Schrein
Am 07. Mai kommen mein Vater und meine Schwester eingeflogen. Viel Zeit den Jetlag zu verarbeiten, bleibt ihnen nicht, denn wir fahren gleich nach Tokio weiter. Nach einer romantischen Radltour durch den grünen Westen Tokios bestaunen wir am Nachbartisch eines Cafés eine ältere Dame mit ihrem hübsch geschmückten Roboter-Hund. Liebevoll bereitet sie erst eine lila Decke aus, ehe der glänzende Vierbeiner darauf sein Plätzchen findet. Sie zückt ihr Handy und stellt in einer App ein, dass ihr süßer Wauwau nun bitte auf Knopfdruck mit dem Schwanz wedeln und dabei bellen soll. Selbst die Japaner um uns herum blinzeln überrascht wie auch schmunzelnd über ihre Kaffeetassen zum „niedlichen“ Plastik-Hund rüber. Anscheinend ist er selbst für sie kein alltäglicher Anblick.
Typisch Japanisch-entweder man verkleidet seinen Hund und setzt ihn in einen Kinderwagen oder man kauft sich lieber gleich einen Roboter-Hund
Tags drauf geht es in aller Früh zu einer weiteren Radtour: diesmal durch Kyoto. Leicht übermüdet radelt meine Familie erst zu einem Schrein für Haare (ja, auch für sowas gibt es einen), ehe wir zum Weltkultur-Erbe ,,Tenryuji Zen Tempel“ strampeln. Soviel Bewegung macht hungrig! Zum Glück haben Oka und seine Frau vorgesorgt und erwarten uns in ihrem Haus. Zur Feier des Tages wurde – außer uns – eine Köchin eingeladen, die uns köstliches italienisches Essen serviert. Grazie mille!
Ein schöner Abend bei Frau und Herr Okamoto zuhause
Wir verlassen Osaka und fliegen über Kagoshima nach Yakushima. Nach soviel Stadt wollen wir etwas Natur genießen. Der Yakushima Nationalpark ist ein Paradies für (uns) Wanderer: Wir klettern über moosbewachsene um die 2000 Jahre alte Bäume, plätschernde kleine Bäche, riesengroße
Findlinge und verwitterte Holzplanken durch den Wald. Trittsicherheit ist gefragt, unser englischer Tourguide stellt dabei sicher, dass wir nicht (wie manch´ anderer) im grünen Dickicht verloren gehen. Zudem erklärt er uns Wissenswertes über den Wald und sein Lieblingsthema: Moos! ,,Ohne Moos nix los“ – in dem Fall stimmt das deutsche Sprichwort wohl… denn es sorgt für einen gesunden und immergrünen Wald.
Auf geht’s nach Yakushima.
Große und Moos-bewachsene Bäume prägen das Landschaftsbild
Am 22. Mai bin ich dann wieder alleine in meiner Wohnung in Osaka – die Reise mit meiner Familie ist vorbei. Nachdenklich beginne ich mich mental auf das Ende meines Aufenthalts in Osaka einzustimmen. Ich besuche einen Sushi-Kochkurs, um zumindest kulinarisch noch dazu zulernen und den Punkt ,,Sushi-Kurs“ von meiner „To-Do Japan“ Liste streichen zu können.
Auch bin ich sehr dankbar, dass mir Frau Wada am 25. Mai noch einmal ihre Zeit schenkt und weitere Heiligtümer zeigt. Dafür fährt sie extra mit mir in die Stadt Ōtsu in der Präfektur Shiga. Wir besuchen den ,,Hiyoshi-Taisha“- sowie den ,,Ishiyamadera-Schrein“ und das Kloster ,,Enryaku-ji“ auf dem Berg ,,Hiei“. Letzteres ist eines der Berühmtesten in Japan, gegründet 788 vom Mönch Saichō. Im Inneren des Tempels erwartet mich erstmal Dunkelheit, dann schält sich im Schein von ein paar Kerzen ein Mönch heraus, der mit einem Schlegel an den Rand verschieden großer Blechschüsseln schlägt. Nobuko erklärt mir den Grund: ,,Damit Buddha ihn hört“. Bei so viel Lärm hört Buddha ihn sicher… Die Räucherstäbchen benebeln meine Sinne, es liegt etwas Mythisches in der Luft. Nach einer Runde Soba-Nudeln geht es gestärkt wieder Richtung Osaka. Danke liebe Nobuko für diesen tollen Tag!
Ein toller Ausflug mit Nobuko
Zum letzten Mal nehme ich am Montag, dem 29. Mai, den Zug nach Kyoto und spaziere zum Tempel von Prof. Aoji. Ich werde mit traditioneller Musik und Sushi verabschiedet. Auch an Sie, lieber Herr Prof. Aoji – Arigatō für die großzügigen Einladungen und die Zeit, die Sie mir geschenkt haben! Kyoto und das Tempelleben hätte ich als Tourist nie so kennengelernt wie dank Ihnen und Ihrer Studenten!
Schöne Symbolik: Wir sind alle mit einem Herz verbunden
Es werden nun die letzten Besorgungen gemacht, Mitbringsel für Freunde und Familie eingekauft. Ich esse die 8 verbliebenen Dosen mit Maissuppe in meinem Kühlschrank auf, die ich in weiser Voraussicht eingekauft hatte, sollte sich ein Erdbeben oder ein Tsunami ereignen. Zum Glück ist beides nicht eingetreten. Ein letztes Mal reihe ich mich am Wochenende in die Menschenmengen der U-Bahn ein und fahre Richtung Namba. Ein letztes Mal spaziere ich durch America-Mura und bewundere die dortige japanische Hip-Hop-Szene. Ein letztes Mal gehe ich an dem netten Aufpasser, ich schätze ihn auf um die 80 Jahre, des meiner Wohnung gegenüberliegenden Kindergartens vorbei: Wie immer begrüßt mich der Senior freundlich. Ob ich ihn nochmal in meinem Leben wiedersehen werde? Ich weiß es nicht. Ein letztes Mal spaziere ich zu ,,Tully´s Coffee“, wo der junge Barista inzwischen meine Bestellung auswendig weiß: Matcha Latte, hot, und mir mit einem Lächeln überreicht. Und: Ich lasse meinen Aufenthalt Revue passieren! Ich habe viel lernen dürfen – über Japan, das dortige Leben, die Kultur und die Gesellschaft, jedoch aber am meisten über mich. Ich bin innerhalb dieser drei Monate ziemlich über mich selbst hinausgewachsen, habe viele neue Menschen und ihre Geschichten kennenlernen dürfen und alleine ganz Japan bereist! Und doch war alles in einem ,,geschützten Rahmen“ – dank dir lieber Oka! Okini (danke im Osaka-Dialekt) für dein Engagement, deine Idee zur Gründung einer Stiftung sowie unsere vielen lustigen, netten und inspirierenden Gespräche und Momente! Und ganz wichtig: Herzlichen Dank liebe Frau Okamoto! Danke für deine warme Jacke, die du mir am Anfang meiner Zeit geliehen hast, um der japanischen Kälte zu trotzen. Und danke für das wunderbare Abschiedsgeschenk: eine wunderschöne, handbemalte Tasse. Ich werde daraus zuhause meinen Matcha-Tee trinken und somit jeden Morgen an euch denken!
Mein Aufenthalt in Osaka wird mir mit Sicherheit mein ganzes Leben lang in Erinnerung bleiben!
Jaa, itte kimasu (Japanisch: ,,Tschau, ich gehe und komme zurück“.)