☆☆☆ Letzter Bericht von Christina Neumayer, zwanzigste Stipendiatin der Grünwald Stiftung ☆☆☆
Die letzten zwei Wochen meines Aufenthalts in Japan nutzte ich, um noch einmal meine liebsten Orte zu besuchen, möglichst noch etwas Neues zu entdecken und von meinen FreundInnen, die mich die letzten drei Monate begleiteten und meinen Aufenthalt mit wunderbaren, gemeinsamen Erlebnissen einzigartig machten, Abschied zu nehmen.
Außerdem bekam ich durch Herrn und Frau Okamoto noch weitere einmalige Möglichkeiten, das Land zu erkunden und kennenzulernen. Sie luden mich beispielsweise zum Sushi-Essen ein. Wir aßen viele verschiedene Fischsorten und dabei zum Beispiel drei verschiedene Stücke vom Thunfisch. Auch probierte ich die sehr bekannten Kobako-Krebse aus der japanischen See, die nur von November bis Januar und auch nur in geringer Menge gefischt werden dürfen, um die Population nicht zu gefährden. Eine wahre Delikatesse!
Kobako Krebs
Über seine Rotaryfreunde organisierte Herr Okamoto außerdem einen Besuch des Pharmaunternehmens Taikou Yakuhin Pharmaceuticals, das insbesondere für Seirogan bekannt ist, ein Medikament, das bei Magen-Darm-Erkrankungen hilft und auch oft in Kriegen zum Einsatz kam. Die neueste Innovation (seit 2018) des Unternehmens nennt sich Cleverin, kleine Behälter, die das Gas Chlorid Dioxid in der Luft verteilen. Damit soll die Luft gefiltert und insbesondere Viren und Bakterien entfernt werden. Nach einer zweistündigen Präsentation des CEOs Hitoshi Shibata waren wir zusammen Mittagessen und fuhren dann ins Nara County zu einer Produktionsstätte. Es war sehr spannend, einen Einblick in die Produktion einer japanischen Pharmafirma zu erhalten und die Fließbandarbeit aus der Nähe zu beobachten.
Weiter nutzte ich die Tage, um einen Sonnenaufgang im „Land der aufgehenden Sonne“ zu erleben und mit meiner Freundin Nami nach Minoh zu fahren, das ca. eine Stunde nördlich von Osaka liegt. Die bewaldete Region ist ein charmanter Rückzugsort von der Hektik der Stadt. Nami hatte ich zuvor auf einer verspäteten (!) Zugreise kennengelernt, wo sie mir half, alternative Routen zu finden. Wir kamen ins Gespräch und beschlossen, zusammen einen Wanderausflug zu machen. Da Nami ein Jahr in den USA gelebt und gearbeitet hat, spricht sie fließend Englisch. Neuen Leuten gegenüber zeigt sie sich sehr offen. Von der Mino-o-Station liefen wir zu Fuß durch schmale und wunderschöne Gassen und über von Herbstlaubblättern gesäumte Wege zum Minoh Wasserfall. Auf dem Weg probierten wir Herbstblatttempura (Momoji Tempura), also die Herbstblätter der Bäume in süßem Teig frittiert – sehr lecker (oishii!).
Momoji-Tempura
Danach fuhren wir mit dem Bus zum Katsuo-ji Tempel. Das Gelände ist geprägt von atemberaubenden Panoramaaussichten, einer nebelverhangenen Brücke über Koi-Fischteiche, einer zinnroten Pagode sowie Daruma Puppen (Japans Glückssymbol). Bekannt als der „Tempel des Siegerglücks“ bzw. „Tempel, der gegen Monarchen gewinnt“, haben hier gesprochene Gebete Kaiser geheilt und Shoguns geholfen, viele Eroberungen zu erringen. Angezogen von der spirituellen Ruhe dieser Bergregion, errichteten die buddhistischen Priester Zenchu und Zensan hier im Jahre 727 erstmals eine kleine Hütte. Myokan, ein buddhistischer Mönch, bekannt als die Inkarnation von Kannon Bosatsu, der Göttin der Barmherzigkeit, formte eine hohe Sandelholzstatue von Kannon mit elf Gesichtern und tausend Händen. Kannon wurde die Hauptgottheit des Tempels. Es wurde angenommen, dass die hier dargebrachten Gebete Kaiser Seiwa halfen, wieder gesund zu werden. Er nannte in der Folge den Tempel „Katsuo-ji“, was so viel heißt wie „der Tempel, der zum Triumph verhilft“. Der Glaube zog viele Anhänger an und heute strömen Menschen hierher, um für Glück in Arbeit, Studium, Geschäft, Sport und allen weiteren Lebensbereichen zu beten. Faszinierend an Katsuo-ji ist insbesondere, dass der Tempel und das gesamte Gelände voller Daruma Puppen sind, die sich in allen Ecken und Winkeln verstecken. Die runde Form der roten Puppen aus Holz wurde dem Abbild des Gründers des Zen-Buddhismus nachempfunden, der, so sagt man, so lange in Meditation saß, dass seine Arme und Beine abfielen. Die Puppen des Katsuo-ji Tempels heißen Kachi-Daruma, was so viel bedeutet wie „gewinnender Daruma“. Es war ein wundervoller Tag in der Natur mit guten Gesprächen, traumhaftem Wetter und frischer Herbstluft. Solche Ausflüge und Erlebnisse werde ich sehr vermissen.
Nami und ich
Außerdem fuhr ich ein letztes Mal nach Kyoto und besuchte im wunderbaren Herbstlaub den Eikando Zenrin-ji Tempel, ein weiteres Bauwerk des Shingon Buddhismus. Erbaut im frühen Heian Zeitalter, genauer im Jahre 853, galt der Tempel als Trainingsort für den Shingon Buddhismus. Die Tempelanlage ist wunderschön und hat einen sehr großen Garten voller Bäume, die in den Herbstfarben leuchteten – ein toller Abschluss.
Kyoto Eikando-Zenrin-ji Tempel
Damit kommt mein Aufenthalt in Japan leider bereits zum Ende. Abschied zu nehmen, fällt mir sehr schwer. Wenn man aber so wunderbare Menschen kennengelernt hat, mit denen man einzigartige Erfahrungen teilt, ist der Abschied auch immer eine Chance für die Zukunft, bei dem man Beziehungen zueinander noch weiter vertieft und festigt, in der Hoffnung, sich so bald wie möglich wieder zu sehen. Und genau das habe ich in meinen letzten Tagen auch getan.
Herr Okamoto organisierte für mich noch einen wunderschönen Verabschiedungsabend mit seinen (und mittlerweile auch meinen) FreundInnen. Wir hatten genug Zeit, um unsere gemeinsamen Erlebnisse zu rekapitulieren und uns herzlich zu verabschieden. Die Abschiedsfeier mit Herrn und Frau Aoji, Herrn Fukuda, Herrn Bessho, Frau Wada, Toshisan und Herrn und Frau Okamoto war sehr schön und die geteilten Erinnerungen werden für immer einen Platz in meinem Herzen haben.
Abschiedsfeier – organisiert von Herrn Okamoto
Leider war es auch an der Zeit, meinen japanischen und deutschen / österreichischen FreundInnen Takuto, Sada, Toshi, Elena und Alina von der DZGO (deutsche Sprachschule) auf Wiedersehen zu sagen. Wir verbrachten einen wunderbaren Abend voller japanischer Kulturgüter wie japanischen Süßigkeiten und Bier und sangen gemeinsam japanische und deutsche Lieder. Bei unseren Treffen hatten wir immer sehr viel Spaß. Denn gerade, weil wir aus verschiedenen Kulturen kommen, die aber großes Interesse aneinander haben, konnten wir voneinander viel Neues lernen und besonders unseren kulturellen Eigenarten freien Lauf lassen. Diese Treffen werde ich sehr vermissen!
Abschiedsfeier DZGO
Nachdem ich zuvor bereits einige Zeit mit den Studierenden der Kyoto Prefectural University (KPU) verbracht hatte, wurde ich zu einer weiteren Abschiedsfeier beim Deutschlehrer Herrn Aoji eingeladen. Dort aßen wir Sushi, Reina und Miyu und spielten auf Querflöte und Klavier das Lied „Sanpo“ aus „Mein Nachbar Totoro“, einem der bekanntesten Anime in Japan aus dem Jahr 1988 (sehr empfehlenswert!). Außerdem sangen wir zusammen ein Lied aus der Vogelhochzeit. Insgesamt ein sehr lustiger und herzlicher Abend!
Abschiedsfeier KPU
Mit einem Koffer voller Geschenke von all den lieben Menschen reise ich nun mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück nach Deutschland. Natürlich wäre ich gerne noch viel länger geblieben, aber man soll ja aufhören, wenn es am schönsten ist. Gerade in den letzten Tagen habe ich realisiert, was für einzigartige Menschen ich kennenlernen und welch wunderbare Erfahrungen ich machen durfte. Diese werden mir stets in Erinnerung bleiben. Während meines Aufenthalts habe ich nicht nur eine neue Kultur und neue Menschen kennengelernt, sondern auch viele Einblicke in die japanische Gesellschaft und Unternehmen erhalten, die mein interkulturelles Verständnis nachhaltig geprägt haben. Solche Erfahrungen sind für die Zukunft eines friedlichen Zusammenlebens der Menschen unterschiedlicher Länder und Völker und die gute, verständnisvolle internationale Zusammenarbeit sehr wichtig und ich hoffe, dass noch viele weitere Stipendiaten die Möglichkeit bekommen, nach Japan zu kommen. Des Weiteren habe ich mich persönlich weiter entwickeln können und gelernt, mich in auch noch so unbekannten Situationen zu orientieren und an diese anzupassen. Die Erfahrungen der letzten drei Monate werden mir sicher helfen, bei zukünftigen Herausforderungen noch schneller und kreativer Ansätze und Lösungen zu entwickeln.
Abschließend möchte ich meinen herzlichsten Dank an alle Beteiligten und Unterstützer meines dreimonatigen Aufenthalts in Japan aussprechen. Dazu gehören in erster Linie Herr und Frau Okamoto, die mit Hingabe und Mühe jederzeit für mich da waren und mir viele Türen geöffnet haben. Ohne sie hätte ich weder so viele Menschen kennengelernt, noch hätte ich so tiefe kulturelle Einblicke erhalten. Es ist einzigartig, mit welcher Freude und Begeisterung Herr Okamoto den interkulturellen Austausch vorantreibt. Ganz herzlichen Dank dafür.
Großer Dank gilt auch den FreundInnen von Herrn Okamoto, meinen Bekanntschaften aus der deutsch-japanischen Gesellschaft sowie den Menschen aus der DZGO und der KPU. Auch bedanke ich mich bei allen an diesem Programm Beteiligten der Grünwaldstiftung und des Rotary Club Grünwald. Die Erfahrungen, die ich durch das Grünwald-Stipendium bekommen habe, sind einmalig. Ich freue mich auf viele Wiedersehen in Japan, Deutschland oder gerne auch woanders!
さようなら
Christina-san