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☆☆☆Zweiter Bericht von Antonia Kammüller, einundzwanzigste Stipendiatin der Grünwald Stiftung☆☆☆

Die letzten zwei Wochen meines Aufenthalts in Japan waren voller neuer Erfahrungen und Abenteuer. Ich hatte die Gelegenheit, in die japanische Kultur einzutauchen, neue Freundschaften zu beginnen und wunderschöne Teile des Landes zu erkunden. Tage voller interkultureller Erfahrungen mit unglaublich freundlichen Menschen, egal, wo im Land ich war. Ich fühle mich auch immer sicherer im Umgang mit dem japanischen Zugsystem, das am Anfang vor allem am Bahnhof Umeda Osaka recht überfordernd für mich war

Eine der prägendsten Erfahrungen der letzten zwei Wochen war der Besuch in Kobe mit Frau Ikawa. Von ihr habe ich viel über die Geschichte und Kultur der Stadt gelernt. Kobe war ein wichtiges industrielles Zentrum Japans und eine der ersten Städte, die ausländische Kaufleute und Händler aus verschiedenen Ländern, darunter China, den Vereinigten Staaten und Europa, aufnahm. Das Schicksal der Stadt hat sich jedoch durch das verheerende Erdbeben mit einer Stärke von 6,9 auf der Richterskala am 17. Januar 1995 drastisch geändert. Mehr als 6.000 Menschen getötet und viele Gebäude und Infrastrukturen wurden zerstört.

Ganz besonders war das Hinamatsuri-Fest, das wir bei Herrn Okamoto zuhause gefeiert haben. Ich wurde wie ein Teil der Familie behandelt. Hinamatsuri, auch als Puppenfest oder Mädchentag bekannt, ist ein traditionelles japanisches Fest, das am 3. März gefeiert wird, um für das Glück und die Entwicklung junger Mädchen zu beten. Während des Festes stellen Familien mit jungen Töchtern eine Reihe von Puppen namens “Hina-ningyo” auf einem stufenförmigen Altar aus. Diese Puppen stellen den Kaiser, die Kaiserin und ihren Hofstaat dar, gekleidet in traditioneller Kleidung aus der Heian-Zeit. Die Puppen werden oft von Generation zu Generation weitergegeben und gelten als sehr wertvolle Familienerbstücke. Gegessen haben wir Chirashisushi, eine Art Sushi, das aus Sushi-Reis besteht, auf dem verschiedene rohe Fische, Meeresfrüchte und Gemüse liegen. Es ist ein farbenfrohes und schmackhaftes Gericht, das oft zu besonderen Anlässen und Festen gegessen wird.

Am nächsten Abend durfte ich tatsächlich mit in ein Fugu-Restaurant. Fugu ist ein Kugelfisch, der in Japan als Delikatesse gilt und daher nicht gerade erschwinglich ist. Vielen Dank, Herr Okamoto, dass Sie so großzügig zu mir waren! Der Grund, warum der Verzehr von Fugu so einzigartig ist, liegt darin, dass er eine giftige Substanz namens Tetrodotoxin enthält, die bei falscher Zubereitung tödlich sein kann. Fugu-Köche müssen eine strenge Ausbildung absolvieren und eine spezielle Lizenz erwerben, bevor sie Fugu an Kunden servieren dürfen. Die Zubereitung ist in Japan streng geregelt und der Fisch nur in bestimmten Restaurants erhältlich. Gottseidank!

Trotz seiner potenziellen Gefährlichkeit ist Fugu in Japan immer noch sehr beliebt, vor allem als Teil eines besonderen Essens oder einer Feier. Die Textur von Fugu ist zart und der Geschmack mild und leicht süßlich. Er wird oft in dünne Scheiben geschnitten und roh als Sashimi serviert, oder in einem heißen Topf gekocht, frittiert oder gegrillt. Wir haben sogar Sake mit der Flosse des Fugu getrunken und Yoko hat mit dem Rest der Fischsuppe und zusätzlichem Dashi „Zosui“ gemacht, das absolut köstlich war. Es war eine großartige Gelegenheit, die japanische Esskultur und Gastfreundschaft zu erleben.

Am selben Wochenende sind wir nach Kyoto gefahren, um ein Konzert mit einer Pianistin und einer Sängerin zu besuchen, die gemeinsam deutsche Lieder von Mozart, Schubert und Hugo Wolf musiziert haben. Es war eine berührende und emotional bedeutsame Erfahrung für mich, da Musik wie eine universelle Sprache ist, die kulturelle Barrieren überbrücken und Menschen zusammenbringen kann.

Vor dem Konzert haben wir das beste Tempura meines Lebens gegessen und waren in einen wunderschönen Garten, wo ich die Schönheit der Stille und ihre Bedeutung für die japanische Kultur spüren konnte. Stille, oder ma (間) auf Japanisch, ist ein wesentliches Element in japanischen Gärten. In der japanischen Ästhetik bezieht sich ma auf eine Pause, einen Moment der Stille oder Leere zwischen Objekten oder Elementen. Es ist die Pause zwischen den Dingen, die ihnen Bedeutung verleiht und ein Gefühl von Harmonie und Ausgewogenheit schafft.

Sehr schön waren auch die Treffen mit Studentinnen aus Kyoto, die mir unter anderem den Shimogamo-Schrein gezeigt haben. Sogar Horoskope kann man dort im Wasser entwickeln (eine große Zukunft liegt vor uns!). Bei Kaffee haben wir über japanische Popkultur gesprochen, weshalb ich nun die neuesten Musik-, Mode- und Unterhaltungstrends in Japan kenne. Die Begegnung mit jungen Japanerinnen ist für mich sehr interessant, weil sie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen unseren Kulturen aufzeigt und den Sinn von kulturellem Austausch aufzeigt und gegenseitige Wertschätzung fördert.

Der Besuch des Ise-Schreins und des Meoto Iwa war für mich eine spirituelle Erfahrung. Der Ise-Schrein, auch bekannt als Ise Jingu, ist eine der heiligsten Stätten Japans und gilt als spirituelle Heimat der Shinto-Religion. Er ist der Sonnengöttin Amaterasu gewidmet, die als Ahnherrin der japanischen Kaiserfamilie gilt. Die Meoto Iwa oder die Hochzeitsfelsen sind ein Paar heiliger Felsen im Meer nahe der Stadt Futami, ebenfalls in der Präfektur Mie. Sie sollen die Vereinigung der Götter Izanagi und Izanami symbolisieren, die nach der Shinto-Mythologie den japanischen Archipel und die Götter geschaffen haben. Viele Japaner besuchen diese Stätten, um Gebete zu sprechen und den Göttern und Vorfahren ihren Respekt zu erweisen.

Ein absoluter Höhepunkt war meine Reise nach Naoshima, Teshima und Inujima, drei Inseln im Seto-Inland, die für ihre zeitgenössischen Kunstinstallationen und Museen berühmt geworden sind. Sie haben sich in kulturelle Orte verwandelt, die Besucher aus der ganzen Welt anziehen. Eine der Hauptattraktionen sind die Kunstinstallationen, die überall in der Landschaft verteilt sind. Diese Installationen variieren in Größe, Stil und Thema, haben aber alle einen starken Bezug zu ihrer Umgebung. Auf Naoshima zum Beispiel steht die berühmte “Pumpkin”-Skulptur von Yayoi Kusama auf einem dem Meer zugewandten Pier, während das Benesse House Museum in den Hang über dem Seto-Binnenmeer gebaut ist. Die Inseln sind seit Jahrhunderten bewohnt, und viele der alten Gebäude und Bräuche sind erhalten geblieben, was ein Gefühl von Geschichte und Tradition vermittelt.

Bei all meinen Erlebnissen in den letzten zwei Wochen habe ich erneut festgestellt, dass die Gastfreundschaft in Japan wirklich einzigartig ist. Das Maß an Sorgfalt und Liebe zum Detail, mit dem die Gäste willkommen geheißen werden, ist unvergleichlich und macht Japan zu einem so besonderen Ort.