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☆☆☆Dritter Bericht von Felicitas Künlen, dreiundzwanzigste Stipendiatin der GRÜNWALD STIFTUNG☆☆☆

Es ist Anfang April und mit ihr die Kirschblüte. Endlich! Ganz Japan steht Kopf wegen der zartrosa feinen Blättchen, die sich nun an den Bäumen zeigen. Das Wetter wird langsam         wärmer, aber es regnet viel. Hier macht der April anscheinend auch, was er will. Da ich keine Pflichttermine mehr habe, bleibt viel freie Zeit, um Osaka und seine Umgebung zu erkunden. Ich stieß dabei rein zufällig auf das Viertel ,,Nakazakicho“, als ich dem Trubel der Straßen von ,,Umeda“ entfliehen wollte. Auf den ersten Blick schien es wie ein ruhiges Wohnviertel, doch je tiefer ich in die Gassen eintauchte, desto deutlicher wurde der einzigartige Charakter dieser Gegend im Vergleich zu anderen Stadtteilen Osakas: Es ist eine grüne Oase zwischen den      Wolkenkratzern und modernen Gebäuden, die einen mit ihren verwinkelten Straßen und den         Wäscheleinen, die zwischen den Häusern gespannt sind, in die Showa-Ära (1926-1989)           zurückversetzt. Es ist eine beschauliche Gegend mit bezaubernden Cafés, Kunstgalerien und Boutiquen, die handgefertigte Schätze anbieten. Vor vielen Lokalitäten stehen Schilder mit der Aufschrift ,,NO PICTURE“.

,,Nakazakicho“ mit seinen kleinen Cafés und hübschen Geschäften

Anscheinend wird das Viertel gerne als Hintergrund für ein neues Instagram-Foto ver(sch)wendet. Ich lasse mich treiben und finde mich auf einmal in einer der roten Gondeln des Riesenrads auf dem Dach der Shopping-Mall ,,HEP 5“ wieder. Das Einkaufszentrum ist wegen dieser        Attraktion weit über Osakas Stadtgrenzen hinaus bekannt. So beschließe auch ich mir Osaka von oben anzusehen. 3 Euro später merke ich aber schnell, dass das Konzept eher für verliebte Pärchen ausgelegt ist: Bluetooth-Boxen in der Gondel lassen einen romantische Songs hören, während man in der Ferne das Schloss Osaka sieht. Leider verbindet die Box nicht, sonst hätte mir eine Runde deutscher Hip-Hop gegen das einsame Gefühl, alleine in einer Gondel zu sitzen, etwas geholfen. Ich für meinen Teil bin froh, wieder festen Boden unter meinen Füßen zu haben. Denn so beeindruckend war die Aussicht am Ende dann doch nicht…

Das rote Riesenrad auf dem Dach von „HEP 5“

Am 03. April bekomme ich eine exklusive wie exzellente Führung von Nobuko Ikawa durch die Stadt Kobe. Das Wetter ist kalt und regnerisch, die Stimmung ist warm und herzlich. Der Rundgang beginnt mit einer Besichtigung des Rathauses von Kobe samt einem tollen Blick auf den Hafen, in dem die Container-Schiffe einfahren. Auch das Denkmal im Memorial Park, es erinnert an das Erdbeben von 1995, sieht man von oben. Im Aufzug muss ich dann noch einen Heiratsantrag eines Mitte 80-jährigen Japaners abwehren, der sich in meine blauen Augen verliebt hat.

Während der Meiji-Zeit (1868-1912) öffnete sich Japan verstärkt dem internationalen Handel: Kobe wurde einer der wichtigsten Häfen für den Austausch von Waren mit dem Westen und zum Umschlagplatz für den Handel mit Europa. Europäische Händler, Diplomaten und Missionare ließen sich in der Stadt nieder, und mit ihnen kamen westliche Einflüsse in Bereichen wie Küche, Mode und Kultur. Ein weiterer historischer Moment, der die europäischen Einflüsse in Kobe verstärkte, war die Gründung eines Ausländerbezirks gegen Ende des 19. Jahrhunderts, auch bekannt als ,,Kitano-cho“. Selbst die Architektur spiegelt europäische Stile wider. So lässt sich dort zum Beispiel noch heute ein Wetterhahn bewundern, der auf dem Dach eines Hauses thront.

Zum Abschluss bekomme von Frau Ikawa noch einen Sake und einen kleinen Sake-Becher geschenkt und fahre nach diesem schönen Tag erfüllt wieder nach Hause.

Besuch der Stadt Kobe mit Frau Ikawa und der Studentin Kasumi

Tags drauf am 04. April gönnte ich mir eine Kosmetik/Akupunkturbehandlung. Die Kosmetikerin ist – typisch japanisch eben – top vorbereitet: Ein kleines Übersetzungsgerät übersetzt mir mit einer Roboterstimme alles auf Englisch. Es ist interessant, wie Schönheit in Japan gesehen wird bzw. wie sich diese erreichen lässt: Liegt in Europa dabei der Fokus auf äußerlichen Anwendungen, verfolgt man in Japan den Ansatz „Schönheit kommt von innen“. Zu Beginn werden mir Darmbakterien zum Trinken verabreicht sowie mein Halsumfang gemessen. Die Behandlung besteht schlussendlich aus einer Kombination von Lymphdrainage, Akupunktur, Akupressur und Hautbehandlung. Rund 70 Minuten später erstrahle ich wie ein Pfirsich und mein Halsumfang misst glatt 5 Millimeter weniger.

Bestens erholt und immer noch strahlend geht es dann am Freitag, den 05. April, an beziehungsweise in meine erste Japanisch-Stunde. Ob ich auch hier, ähnlich wie beim Töpfern, ein Naturtalent bin, ist fraglich. Zumindest kann ich jetzt fließend von 1 bis 10 zählen!

Und auch das Wochenende ist spannend: Oka lädt die Einwohner Grünwalds, wozu auch ich mich zählen darf, zu Ohanami, dem Kirschblütenfest ein! Es gibt reichlich Alkohol und feines Essen. Ich (Ehrengast:)) sitze mittendrin – umringt von der netten und an mir interessierten Hausgemeinschaft. Die Verwunderung meiner Nachbarn ist groß, als sie erfahren, dass ich aus dem ,,originalen“ Grünwald komme. Meine Verwunderung ist groß, als ich erfahre, dass Schüler, wenn sie eine Privatschule besuchen, auch samstags die Schulbank drücken müssen. Da wäre ich lieber nicht in einer solchen…

Ohanami im japanischen Grünwald

Am Sonntag mache ich zusammen mit meiner neuen japanischen Freundin Kako einen Bootsausflug auf dem Fluss Yodo, um ein letztes Mal die fast abklingende Kirschblüte zu bewundern. Wir sind früh dran, was sich als sinnvoll erweist. Denn unzählige Japaner haben die gleiche Idee und wollen ebenfalls vom Schiff aus die rosa Blütenpracht bewundern. Leider sitzen wir auf der falschen Seite (rechts wäre besser gewesen) und so muss ich die Kirschblüten bewundern, während mir dazwischen ein japanischer Sonnenhut (sicher mit Lichtschutzfaktor 50), die Sicht versperrt.

.Bootsfahrt mit meiner neuen Freundin Kako

Nach Sakura kommt Seerose – und so bewundere ich im ,,Nakanoshima Museum of Art“ Claude Monets Seerosen in Öl auf Leinwand. Bis Ende Mai 2024 läuft die Ausstellung in Osaka, entsprechend viele wollen seine Werke sehen. Schon vormittags sind die Ausstellungsräume brechend voll, Mitarbeiter mit Schildern warnen vor zu lautem Sprechen. Typisch japanisch schiebt sich die Menschen-Schlange an den Bildern vorbei. Frei umhergehen? Das tun die wenigsten. Um die Bilder zu sehen, muss man sich also entweder ebenfalls dort einreihen – oder aber einfach in die zweite Reihe stellen. Durch meine zum Glück relativ hohe Körpergröße (oder sind die anderen einfach kürzer als ich?) kann ich über die japanischen Köpfe blicken und die europäischen Landschaften bewundern. „Skurril, man steht in Japan und schaut sich französische Heuhaufen an”, denke ich mir. Passend zum Thema Frankreich gibt’s danach noch Crêpes mit Lachs.

Da die letzten Wochen mit Essen und dem Konsum alkoholischer Getränke verbunden waren, beschließe ich, dass mir etwas Sport nicht schaden würde. So unternehme ich eine ,,Osaka Guided City Highlights Bike Tour“: Donnerstagmorgen radeln drei Schweizer und ich unserem muskulösen japanischen Tourguide hinterher, der nebenbei als Fitnesstrainer und Barista arbeitet. Sein Lieblingsessen laut eigener Angabe ist Käse – somit war auch schnell ein Gesprächsthema mit den Eidgenossen gefunden. Diese sind ja nicht unbedingt für guten Humor bekannt – mein Witz, dass der Anstieg auf die Burg Osaka an einen Aufstieg in die Schweizer Alpen erinnert, sorgte dennoch für allgemeine Erheiterung. Die Radtour war per se sehr schön, jedoch leider nicht ganz so zielführend: Die Besichtigungspunkte hatte ich mir nämlich alle schon selbst „gezeigt“!

Radtour durch Osaka

Nach einer Pilates-Privatstunde, bei der ich nicht alle Anweisungen der englisch sprechenden Lehrerin verstanden hatte (ich bin anscheinend kein Pilates-Naturtalent), spaziere ich (mal     wieder…) durch America-Mura: Mir hat es die ungezwungene Atmosphäre des Viertels ganz einfach angetan, auch weil dort immer etwas los ist. In einem Coffee-Shop komme ich mit einem deutschen Pärchen ins Gespräch. Es stellt sich heraus, dass beide in Berlin leben, ihre Eltern jedoch in Baierbrunn, also 15 Minuten weg von meinem Wohnort… kleine Welt.

Übers Wochenende (20. bis 22. April) fahre ich nach Tokio. Samstag früh donnert der Shinkansen mit 320 km/h in Richtung Westen. Diesmal möchte sich Tokio von seiner schönsten Seite zeigen, denn ich werde mit bestem Wetter und Sonnenschein empfangen. Jedes Mal wieder lustig zu sehen: In Tokio wird links auf der Rolltreppe gestanden, in Osaka rechts. Ich muss mir erneut bewusst machen, dass Tokio eine Riesenstadt ist: 13,96 Millionen (Stand 2021)                          leben hier! Aber „der Laden funktioniert”, wie man umgangssprachlich so treffend sagt. Es liegt kein Müll herum, die Züge kommen auf die Sekunde genau an, der Verkehr ist human, die Luft gut. Tokio gilt damit auf der ganzen Welt als Vorzeigestadt. Erreicht wurde dies vor allem durch klare gesellschaftliche Strukturen und einem funktionierenden Verkehrsnetz: Die U-Bahn von Tokio ist mit jährlich ca. 3,1 Milliarden Fahrgästen das am stärksten in Anspruch genommene U-Bahn-Netz der Welt. Die 13 Linien der Tokioter U-Bahn werden täglich von durchschnittlich 8,5 Millionen Menschen genutzt. Schon Verspätungen von einer Minute werden durchgesagt, Markierungen am Boden zeigen an, wo man sich für den Einstieg hinzustellen hat, Vogelgezwitscher an den Bahnsteigen sorgt für eine friedliche Stimmung. Und der Beruf wird nach dem ,,Kaizen“ Prinzip verrichtet, dem japanischen Anspruch, sich immer und stetig zu verbessern. Dies sorgt für eine Gewissenhaftigkeit bei der Arbeit.

Samstagabend mache ich eine Radtour unter dem Motto „Tokyo by night“ und zwar gemeinsam mit einer etwas muffig wirkenden KLM-Crew, die 49 Stunden Stopover in Tokio hat. Vielleicht waren die Flugbegleiter aber auch nur überarbeitet und müde, wer weiß. Der sympathische Tourguide Taichi hat zwar weniger stramme Waden, aber dafür umso mehr Wissen und so          radeln wir von 20 Uhr bis 22:30 Uhr durch die ,,Aoyama Area“ und zu den ,,Roppongi Hills“, ehe wir am roten Tokyo Tower umkehren und am National Stadion vorbei wieder Richtung Startpunkt fahren. Die Skyline Tokios glitzert verheißungsvoll in der dunklen Nacht und ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus ob der vielen Lichter und Lampen. Dann rausche ich mit dem Zug eine Stunde zurück Richtung Hotel nach Kawasaki, und schlafe um Mitternacht todmüde ein.

Der rote Tokio-Tower

Sonntag, 14.04. – es soll ein wunderbarer Tag werden! Morgens brunche ich in einem    Restaurant, wodurch ich mir das Mittagessen spare – sehr praktisch. Ich komme mit dem netten Kellner Rob ins Gespräch, ein Holländer ungefähr in meinem Alter, der seit drei Jahren in Tokio wohnt. ,Man lebt für die Arbeit“ sagt er, japanische Freunde habe er keine, es sei schwer in die Gesellschaft zu kommen. Dann fahre ich weiter nach ,,Harajuku“, bekannt für japanische Hipster und die ,,Kawaii-Mode“. Letztere nehme ich in einem Geschäft mit dem interessanten Namen ,,6 % Doki Doki“ genauer unter die Lupe.

Deko vor dem Laden 6% Doki-Doki. Ähnlich bunt geht es im Laden weiter.

Verrückt ist kein Ausdruck… eine Verkäuferin mit einem pinken Pflaster auf der Nase, sie trägt es aus Style-Gründen, und lila Haaren begrüßt mich. Sie dreht gerade einen Tik-Tok im Eingang und wirkt hocherfreut, als ich hereinschneie. Ich glaube nicht, dass sich viele Ausländer in den kleinen Laden im ersten Stock verirren und schaue mich interessiert um.

Sowohl mir als auch den beiden Verkäuferinnen ist klar, dass ich dort nichts kaufen und auch nichts finden werde, was mir auch nur ansatzweise stehen würde. Trotz allem klatschen sie immer wieder in die Hände und lächeln mich freundlich an. Als ich auf ihre bunten Outfits deute und laut ,,Wow“ sage, sind sie so entzückt von mir, dass sie laut loskichern und sich derart freuen, dass einer von beiden doch glatt die silberne Glitzer-Haarspange vom Kopf fällt. Im Viertel selbst laufen dann aber nochmal ganz andere ,,Charaktere“ herum. Ja, die jungen                Menschen dort mögen es wirklich ausgefallen: Mir kommt ein Mädchen entgegen, deren               Styling-Vorbild anscheinend Gottesmutter Maria ist. Anders kann ich mir das Gerüst auf ihrem Kopf, das einen Heiligenschein imitieren soll, nicht erklären. Und in den Läden hängen                    Klamotten, deren Funktion als Anziehsache ich mir nur erraten kann.

Um 18 Uhr habe ich dann noch eine Reservierung im Tokyo Skytree, dem 634 Meter hohen Fernseh- und Rundfunksendeturm. Er wurde am 22. Mai 2012 eröffnet und ist nach dem Burj Khalifa in Dubai und dem PNB 118 in Kuala Lumpur das dritthöchste Bauwerk der Erde. Erdbebensicher gebaut, glänzt der Stahlkoloss im Abendlicht. Mein Plan war eigentlich, pünktlich zum Sonnenuntergang dort oben zu stehen. Ich bin allerdings genauso pünktlich, dass ich es nicht mehr schaffe und gerade die Sonne untergegangen ist… denn durch die vielen Touristen verzögerte sich die Fahrt mit dem Fahrstuhl nach oben. Schon unten in der Warteschlange ,,freunde“ ich mich mit drei deutschen Frauen mittleren Alters an, die eigentlich von einer Reisegruppe kommen und einen freien Abend zur Verfügung haben. Ich darf mich ihnen anschließen und wir schweben zusammen hinauf. Auch ganz nett, dort oben dann nicht alleine, ohne Unterhaltung, die Aussicht bewundern zu müssen…

Tokio-Skytree

Aussicht vom Tokio-Skytree

Nach einem erfüllten Wochenende sperre ich am Montagvormittag meinen Koffer am Tokioter Hauptbahnhof in ein Schließfach und fahre in die ,,Kababashi-Straße“ – eine auf Restaurant- und Küchenbedarf spezialisierte Einkaufsmeile mit über 200 Geschäften. Eine typisch asiatische Besonderheit ist dabei der Verkauf von Nachbildungen von Gerichten und Getränken aus Plastik, mit denen vor allem kleine Restaurants im Schaufenster werben. Ich kann mich nur schwer zwischen einer Garnele und einem Eisbecher als neue Zimmerdekoration entscheiden. Letztlich wird es dann der Eisbecher und aus Gründen der Heimatliebe das Bier von ,,Der Löwenbräu“.

Plastik-Essen-typisch japanisch

Dann geht´s weiter zur ,,Akihabara-Straße“, die mir als Elektronik, Technik, Manga & Anime-Paradies angepriesen wird. Eigentlich bin ich dort fehl am Platz, denn ich benötige weder einen neuen Bausatz für meinen Roboter (kann man dort erwerben), noch kenne ich einen einzigen Manga oder Anime-Charakter (außer Hello-Kitty). Trotzdem ist das Viertel zwischen den vielen Hochhäusern eine Art ,,Pflichtpunkt“ auf der To-Do Liste eines jeden Tokio-Touristen. Um doch noch etwas Kulturelles dazwischen zu sehen, spaziere ich zum ,,Kanda Myōjin-Schrein“ abseits des Viertels. Angestellte der unzähligen Technik-Unternehmen gehen dorthin, denn der Tempel verspricht gute Leistung und neue Ideen/Inspirationen für die Betenden. Ich sitze still da und beobachte in Ruhe die Menschen. Sachte fallen die einzelnen Blätter der Kirschblüten auf mich herab – Sakura ist vorbei. Im Hintergrund läuft leise japanische Musik. Ein kleines Pferd steht auch auf dem Tempelgelände – links vom Schrein hat es seinen Stall. Davor: Viele Japaner, die, wie mir scheint, noch nie ein Pony gesehen haben. Gleichsam fasziniert und verzückt schauen sie dem Vierbeiner beim Fressen zu.

Pferd vor dem Kanda Myōjin-Schrein

Am Shinkansen Richtung Osaka steigt vor mir eine ältere Dame im Kimono aus. Auf ihren Schultern ruht ein rosa Seidentüchlein, das prompt in den Spalt zwischen Zug und Bahnsteig fällt. Sie merkt ihren Verlust nicht und tippelt weiter. Ich tippe ihr auf die Schulter und sage in meinem besten Japanisch ,,sumimasen“ (Entschuldigung). Dann versuche ich ihr auf Zeichensprache zu erklären, dass sich ihr Schal im Gleisbett befindet. Ein Japaner kommt mir zu Hilfe und sagt es ihr – ein Glück, ich hätte nämlich nicht gewusst, was Gleisbett auf Japanisch heißt. Die Dame dreht sich anschließend voller Dankbarkeit zu mir um und bedankt sich mit ihrem wenigen Englisch, was sie konnte: ,,Thank you very much“.

Ob diese Tat auf meinem Karma-Punktekonto gutgeschrieben wurde? Kann gut sein, denn auf der Rückfahrt werde ich mit einem wolkenlosen Mount Fuji belohnt! Zudem verlasse ich Tokio diesmal weniger angestrengt. Das Geheimnis liegt, denke ich, darin, dass man sich, ähnlich wie die Tokioter auch, entspannter mit der Menschenmenge treiben lassen und sich mehr auf sie einlassen muss. Und sich notfalls auch mal ein Taxi zu leisten, wenn das GPS-Signal einen wegen der vielen Hochhäuser nicht orten kann und man minutenlang in die falsche Richtung gegangen ist…

Mount Fuji im Abendlicht