☆☆☆Vierter Bericht von Felicitas Künlen, dreiundzwanzigste Stipendiatin der GRÜNWALD STIFTUNG☆☆☆
Himmel, wie die Zeit verfliegt: Längst ist es Mitte April! Und Oka führt mich in eine Miyako-Odori-Vorstellung aus. Tänze, Lieder und Schauspielakte werden von Maikos und Geikos des Gion-Viertels in Kyoto aufgeführt. Die Motive schöpfen aus der klassischen japanischen Kultur und zeigen das Alltagsleben wie auch Folklore. Die knapp 10 bunt und aufwändig gekleideten Frauen rutschen dabei mit strahlend weißen Socken über die Bühne. Akustisch untermalt wird dies durch traditionelle Musik. Ein paar unserer Mitzuschauer sind lautlos eingenickt, landestypischer hätte der Theaterbesuch nicht ablaufen können. Vorher lädt mich Oka in ein Tempura-Restaurant ein, das überaus köstlich frittierte Fisch- und Gemüseteilchen servierte. So ungewohnt wie die japanische Küche am Anfang noch war, so sehr habe ich mich mittlerweile an die fremden Geschmäcker gewöhnt.
Mit Oka in Kyoto
Wie ein übermotivierter deutscher Tourist nehme ich am Samstag, dem 20. April, um 6 Uhr morgens den Zug nach Kyoto. Mein Tagesprogramm: Eine 42 Kilometer Radtour, um (fast) alle wichtigen Sehenswürdigkeiten und Tempel abzuarbeiten, die die berühmte Tempelstadt zu bieten hat. Die sogenannte ,,Highlight-Radtour“ wird von einem Amerikaner geführt, der seit knapp 18 Jahren in Japan lebt. Eigentlich kam er als Englisch-Professor hierher, 2 japanische Ehefrauen später ist er immer noch hier. Unsere Gruppe radelt von 07:30 bis 17:30 Uhr. Angefangen vom berühmten Bambus-Wald über den Fushimi Inari-Schrein und dem Kyomizu Dera-Tempel. Am Kinkakuji-Tempel, besser als Goldener Tempel bekannt, kehren wir um und strampeln eine Stunde zurück an den Startpunkt vom frühen Morgen. Ich fühle mich am Abend sprichwörtlich gerädert, aber es war ein toller Tag! Soviel „Highlight“ auf einmal hätte ich in Kyoto sonst nicht zu sehen bekommen!
Radtour in Kyoto
Am nächsten Abend bin ich bei der lieben Nachbars-Familie Tomimoto eingeladen. Es gibt ein vegetarisches Neujahrsgericht, das, wie der Name schon sagt, eigentlich nur an Neujahr gegessen wird. Mir zuliebe wird eine Ausnahme gemacht und die Bento-Box, gefüllt mit sorgfältig drapierten Köstlichkeiten, bereits am 21. April serviert. Dazu schmeckt das Brot eines japanischen Bäckers, der sein Handwerk in Frankreich gelernt hat. Es waren unterhaltsame Stunden bei Takako, Daisuke und ihrem Sohn Yuuki! Vielen Dank für Eure großzügige Einladung – ich habe sie sehr genossen!!
Abendessen-Einladung bei Familie Tomimoto
Ein paar Tage später besuche ich die Universal-Studios Japan. Nachdem ich die Kunstfigur Hello Kitty begrüßt habe, „reise“ ich in Harry Potters Welt. Auch wenn ich noch nie einen „solchen“ gelesen, geschweige denn (s)einen Film angeschaut habe (ja, auch solche Menschen gibt es…), war es trotzdem amüsant, die vielen Menschen in ihren schwarzen Zauberumhängen inklusive dem obligatorischen Zauberstab zu beobachten. In der Harry-Potter-Achterbahn komme ich neben drei Japanern zum Sitzen, die mich nach dem wilden Ritt fragen, woher ich doch komme. Auf meine Antwort ,,Doitsu“ wird mit einem freundlichen Lächeln und dem typisch japanischen „Kawaii“ (alias „süß“) reagiert. Leider bleibt mir der Besuch der Super-Mario-Welt verwehrt, da man sie nur mit einer Vorreservierung (hatte ich nicht) oder einem Extra-Ticket betreten kann, das in einem Online-Prozess verlost wird. Letzteres hatte ich leider verloren. Enttäuscht und bei Regenwetter fuhr ich also wieder nach Hause.
Besuch der Universal-Studios/ Drei Japanische Harry Potter Fans
Umso spannender ging es dann zwei Tage später weiter. Ich folge der Einladung der Generalkonsulin Melanie Saxinger in ihr Büro hoch oben im Osaka-Sky-Building. Nachdem ich meinen Pass abgegeben, mein Handy eingeschlossen und mich einer Sicherheitsprüfung unterzogen habe, darf ich Frau Saxinger bei einer Tasse Tee Fragen stellen: Mich interessieren die Handelsbeziehungen zwischen Japan und China, ihr Arbeitsalltag und ihre Reise nach Nord-Korea.
Abrupter Themen- und Ortswechsel: Anschließend fahre ich nämlich gleich weiter zu einem Ikebana-Kurs. Auf dem Weg dorthin entdecke ich zufällig einen Import-Store. Dort finde ich italienisches Knäcke- und deutsches Schwarzbrot! Endlich wieder…!
Im Frühstücksraum eines Hotels erwartet mich ein tiefenentspannte Fooraku: Der liebenswürdige Japaner ist ein wahrer Meister seines Fachs mit über 30 Jahren Erfahrung im Blumen-Stecken. Ein Ikebana-Arrangement soll einerseits die Natur in den Lebensraum der Menschen bringen, jedoch auch gleichzeitig die kosmische Ordnung darstellen. Durch das Arrangement stellt der Gestalter sowohl sein Verhältnis zur Natur als auch seine jeweiligen Gefühle dar, die ihn während der Arbeit bewegten. So leicht wie das „Ganze“ ausschaut, so schwer ist es. Ich für meinen Teil fühle mich wie im Mathe-Unterricht: Denn meine drei Zweige sollen dabei in einem bestimmten Winkel zueinanderstehen, Länge und Abstand werden dabei vorher mit einem Lineal ausgemessen. Fooraku macht es mir vor, anschließend mache ich es ihm nach. Soviel sei verraten: Im Gegensatz zu seinem Ikebana-Kunstwerk würde ich für meines nicht mal einen Blumentopf gewinnen…
Der Meister korrigiert mich zum Glück: Ich hatte die Zweige nicht schräg genug arrangiert, zudem auch nicht die Vorderseite der Zweige beachtet. Ein paar geschickte Handgriffe Foorakus später schaut auch mein Werk ansehnlich aus. Anschließend bekomme ich eine Urkunde überreicht. Fooraku erzählt mir zum Abschluss, dass alle seine Ikebana-Freunde um die 90 Jahre alt seien. Ikebana soll nämlich ein langes Leben fördern. Ich bin deshalb fest entschlossen, dieses Kunsthandwerk zuhause als neues Hobby fortzuführen!
Fee beim Ikebana-Kurs. Obwohl ich noch viel üben muss, gibt es schon mal eine Urkunde
Voller Tatendrang fahre ich am nächsten Tag nach Kyoto, um in der ältesten Ikebana-Schule des Landes ein paar Utensilien einzukaufen. Ich brauche einen ,,Kenzan“, auch Stachelfrosch genannt, um meine Blumen im „goldenen Schnitt“ zueinander stellen zu können. Eigentlich sind diese „Stachelfrösche“ aus schwerem Metall fabriziert, für mich gibt’s die Billig-Variante aus Kunststoff. Anschließend lässt sich im Garten der „Blumen-Schule“ ein Tempel bewundern. Der Legende zufolge war das der Ort, an dem Ikebana erfunden wurde. Anschließend bin ich von ein paar japanischen Studenten der Uni Kyoto zu einer Kalligrafie-Stunde eingeladen. Von 18 bis um 20 Uhr pinseln wir Buchstaben bzw. Wörter auf hauchdünnes Papier: Von ,,Kyoto“ über ,,Deutschland“ und ,,Fee“ ist alles Wichtige dabei! Währenddessen unterhalten wir uns über das Wetter in Deutschland, die DDR und – ganz wichtig – das Oktoberfest.
Mit Studenten an der Uni Kyoto
Sonntags geht es dann zusammen mit dem Rotary-Club Suita in den Expo-Park zum Grillen. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und der Park ist aufgrund des Beginns der ,,Goldenen Woche“ (Feiertage in Japan) sehr voll. Was für eine friedliche Stimmung: Über die Wiese verteilt sitzen japanische Großfamilien beim Picknick.
Bevor meine Mutter am Dienstag, den 30. Mai, anreist, macht Oka mit mir einen Ausflug zum Minoo- Wasserfall. Mit im Gepäck: der süße Bonten. Okas kleinem weißen Vierbeiner gefällt der Wasserfall genauso gut wie mir. Nur die frittierten Ahornblätter, ich esse sie zum ersten Mal, schmecken ihm – im Gegensatz zu mir – nicht.
Mit Oka und Bonten am Mino-Wasserfall