☆☆☆Dritter Bericht von Vincent Quiring, vierundzwanzigster Stipendiat der GRÜNWALD STIFTUNG☆☆☆
Bevor ich über den im letzten Bericht geschilderten Aufenthalt in Tokio mit meinem Freund Jannis berichte, möchte ich noch einige Worte über eine Ausstellung von teamLab in Osaka verlieren. teamLab – „botanical garden“ verzaubert die Besucher durch aufwendig gestaltete Naturelemente, verbunden mit einer Bandbreite an audiovisuellen Inhalten in eine alternative, fließende Realität. Während ich meinen Weg durch die Menschenmassen, welche trotz später Uhrzeit, leider ein wenig der Ausstellung an Charme nahmen, bahnte, kamen mir einige Gedanken und Interpretationsmöglichkeiten, welche ich hier kurz festhalten möchte. Das Thema der Ausstellung war einfach zu beobachten, da fast jedes Element ein interaktives Erlebnis bot, welches sich erst dann richtig entfalten konnte, wenn eine Person mit dem Element interagierte. Die Ausstellung handelt von Verbindungen und der Vernetzung von den jeweiligen Elementen untereinander, die meisten davon pflanzlichen Ursprungs, welche durch hinzugefügte Technik, wie Lichter und Geräusche, dem Menschen sichtbar werden. Innerhalb der Ausstellung wird also jeder Besuchende selbst zum Teil dieses Netzes.
Bewegt man sich also im Rahmen eines Elementes, so leuchtet dieses beispielsweise hell auf, woraufhin auch benachbarte Elemente aktiviert werden und eine Kettenreaktion im Raum entspringt. Diese Idee wurde wie in den Bildern unten zu sehen, mit Pflanzen, Bällen und Formen jeglicher Art, aber auch auf Displays verwertet.
(teamLab – botanical Garden)
Die Installation, welche mir mit Abstand am besten gefallen hat, ist jene, bei welcher farbige Spiralen auf einem Display mitten in einem Teich erscheinen. Dies immer dann, wenn ein Vogel am Element vorbeifliegt. Für die Installation wurden extra Pflanzen in den Teich gesetzt, welche im Anschluss Insekten zum Element locken sollen, welche wiederum die Vögel anziehen. Es entsteht ein Lebenszyklus, welchen wir als Zuschauende farbig beobachten können. Wie eine schwarze Leinwand erstreckt sich die Apparatur im Wasser fliegt kein Vogel vorbei, und doch erstrahlt sie so schön, falls es doch einer tut. Dazu schrieb ich damals ein paar Gedanken auf:
[…] Fliegen die Vögel nicht, so versinkt die Welt in einem schwarzen Kosmos der undenkbaren Wirklichkeit, schließlich würden wir die Vögel aufgrund der Dunkelheit eh nicht sehen. Fliegen sie, so bindet sich die Welt ein weiteres Mal an den Glanz der symbiotischen Existenz der Lebewesen- und doch werden sie nur von Insekten angelockt.
So warten wir stillebend auf eine Bewegung. Wir schlummern förmlich in der Möglichkeit bald wieder bewegt zu werden- Warten wir nicht alle darauf, dass uns jemand bewegt, jemand umstößt, unsere Farbe verändert. […]
(Lieblingselement der Ausstellung)
Letzteres handelte vor allem auch von den Eindrücken anderer Installationen, bei welcher die Elemente bei Berührung und äußerlichen Einflüssen ihre Farbe änderten.
Die Ausstellung „botanical garden“ von teamLab, regte mich also erneut zum Denken an. Schließlich ging es, meiner Meinung nach, nie wirklich um die ausgestellten Pflanzen, wenn dies auch der Name der Ausstellung erstmalig vermuten lässt. Eher handelte sie von einem sozialen zwischenmenschlichen Netz. Vor allem in der heutigen Zeit, in der wir uns in Krieg und Ungerechtigkeit befinden, dies sowohl auf brutalste und rücksichtlose Weise im Nahen Osten, wie auch in Gebieten der Ukraine, aber auch in vielen anderen Situationen, erleben Individuen diese Kriege auch täglich im nahen Umfeld, sei es bei der Arbeit, in der Schule, im Freundeskreis, aber auch Zuhause. Demnach ist es von großer Wichtigkeit aufzuklären und ein Bewusstsein dafür zu schaffen.
Es ist wichtig darüber aufzuklären, dass jedem Input auch ein Output folgt, jeder Aktion auch eine Reaktion. Ein Gefühl von Sensibilität und Einschätzungsvermögen ist in heutiger Zeit wahrlich eine Seltenheit, weshalb „botanical garden“ ein wunderschönes Beispiel bietet, darüber spielerisch und verzaubernd zu informieren.
Nun aber zurück zum Ausflug nach Tokio. Jannis und ich hatten uns im nördlichen Teil Shinagawas ein Airbnb gemietet. Das sehr kompakte, für zwei Personen geradeso ausreichenden Apartment war uns knapp sieben Tage ein Zuhause. Von dort aus starteten wir jeden Tag auf eine neue Erkundungstour, meistens gingen wir zuerst in Richtung Shibuya und ließen uns anschließend von den Menschenmassen treiben.
(Shibuya)
Der gesamte Trip in Tokio war ein Kontrast zwischen Maximaltourismus und stillen, einsamen Wohngegenden, eventuellen Rückzugsorten der Einwohner, sowie kleinen, charmanten Schreinen und Tempeln- eine durchaus gute Mischung!
Oft verweilten wir in Akihabara und erstaunten jedes Mal erneut an der Vielfalt der verschiedenen kleinen Läden, gefüllt mit Anime/Manga Fanartikeln wie beispielsweise Figuren in sämtlichen Formen und Größen. Auch die Vielfalt an Elektronikgeschäften, insbesondere Retro-Gaming und Second Hand Läden, ließ uns in großer Begeisterung. So kauften wir uns jeweils alte Klassikertitel für umgerechnet gerade mal ein paar Euro. Dieser Teil Tokios scheint gänzlich der Unterhaltung und Freizeit zu dienen. Dies war erstaunlicherweise jedoch durchaus mal sehr angenehm. In unserer heutigen Zeit werden wir täglich mit neuen, negativen Informationen überhäuft, erfahren Stress und Druck durch den Alltag und schleppen auch sonst noch ein jeweils eigenes kleines Paket an Problemen mit uns herum. Manchmal ist es angenehm, alles einmal kurz zu vergessen und sich der farbenfrohen Unterhaltung und Ablenkung hinzugeben. Erfüllt mit Erinnerungen an unsere noch unbeschwerte Kindheit, lassen uns durch solche Viertel oft mal das Gewicht des Lebens vergessen. Vor allem in einem Land wie Japan, in welchem Arbeitsmoral und Disziplin eine essenzielle große Rolle spielt, ist es sehr verständlich, manchmal einfach kurz wieder träumen zu wollen.
(Akihabara)
Ähnlich ging es uns auch als wir ein Vogel Café besuchten! Weder Jannis noch ich hatten bereits eine solche Erfahrung gemacht- ein Café in Begleitung von Tieren. Was sich erst wie eine ulkige, seltsame Idee anhörte, stellte sich am Ende jedoch als unglaublich interessant und lustig heraus. Circa zwei Stunden verbrachten wir, ohne es zu merken regelrecht in einem riesigen Vogelkäfig. An die 100 Vögel krächzten uns in die Ohren, wahrscheinlich jeweils 5 davon konstant auf unseren Köpfen und Schultern sitzend. Es war ein sehr magischer Moment, wenn dieser auch so in der Wildnis nicht auf natürliche Weise geschehen würde, von Vogeln regelrecht „anerkannt“ zu werden, als Sitzgelegenheit würdig zu erscheinen. Trotz des moralisch durchaus bedenklichen Hintergrunds solcher Cafés, war es uns eine große Freude, den Tieren ein Stück näher zu kommen.
(Vogelcafe)
Zuletzt möchte ich noch von einem ganz speziellen Abend in Tokio berichten. Wir waren in der Nähe von Shibuya und fragten uns, da wir noch nicht zurück ins Apartment fahren wollten, wie wir den angebrochenen Abend noch sinnvoll nutzen könnten. Über eine Empfehlung auf einer japanischen Internetseite kamen wir auf den Gedanken eine Bar aufzusuchen. So machten wir uns also auf den Weg um diese finden. Bedauerlicherweise fanden wir diese nie, wurden aber während unserer Suche von einem anderen Etablissement, aus welchem laute, freudige Musik zu hören war, angelockt. Ein wackliges Wendeltreppengerüst an der Außenseite einer heruntergekommenen Hausfassade in einer kleinen Gasse, leitete uns den Weg zum besagten Ort. Als wir eintraten, wurden wir sehr verdutzt angeschaut, ich sagte noch zu Jannis, dass es vielleicht eine Privatveranstaltung sei und, dass wir besser gehen sollten, doch nach kurzer Zeit kam eine sehr freundliche Kellnerin zu uns und klärte uns über den Eintrittspreis der Bar auf. Als wir gerade dabei waren diesen zu bezahlen, haderte sie kurz, als hätte sie es sich doch anders überlegt. Sie meinte, da die Bar in kürze schließe, könnten wir auch kostenfrei eintreten. Dies ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und traten geschwind ein. Die Bar war ein kleiner, sehr angenehmer Raum, mit sehr warmer und üppiger Inneneinrichtung und Dekoration. Es spielten mehrere DJs, welche, zu meiner Begeisterung, mit Vinyl Platten auflegten.
(Bar)
Wir genossen die Zeit sehr. Es war eine unglaublich freie und unbeschwerte Stimmung im Raum. Tanzende luden zum Tanzen ein, andere zu interessanten Gesprächen.
Als die Bar jedoch wie angekündigt schloss, gingen die Künstler durch das gesamte Publikum, um sich persönlich bei jedem für die Zeit zu bedanken. Dies war mir so noch nie passiert und doch war ich sehr glücklich darüber, da es die Verbindung, welche man über den Abend hinweg mit den Künstlern, als auch den anderen Besuchenden aufbaute, nochmals bestärkte. Ein schmeichelndes Gefühl, dass sich der Gastgeber persönlich für den Besuch bedankt!
Das gesamte Publikum fühlte sich dadurch wie eine geschlossene, doch trotzdem offen neue Bekanntschaften zu machen, Freundesgruppe an, welche einfach nur den Abend genießen wollte. Dieses Ereignis hat mich sehr glücklich gemacht.
(Tokio bei Nacht)
Nach aufregenden 7 Tagen fuhren wir gemeinsam wieder nach Osaka zurück, Jannis um noch ein paar Tage außerhalb von Tokio zu verbringen, bevor er nach Deutschland zurückflog, ich um wieder meinen gewohnten täglichen kleinen Aufgaben entgegenzutreten 🙂
(Besuch des Katsuo ji Tempel)
Ich bedanke mich für die Zeit und die vielen neuen Eindrücken, die ich erleben durfte und hoffe, dass noch viele weitere folgen!
Vielen Dank
Vincent Quiring