☆☆ Dritter Bericht von Benjamin Raithel, zwölfter Stipendiat der Grünwald Stiftung ☆☆
Japan begeistert – mich, und viele andere Ausländer, die hier leben. Als Hauptargument habe ich bisher die unglaubliche Freundlichkeit und Gelassenheit der Japaner identifiziert, die dazu beitragen, das Leben sehr stressfrei zu gestalten. Wenn man auf die japanische Arbeitswelt blickt, ist diese jedoch alles andere als stressfrei und einige Traditionen, wie das “verpflichtende” Trinken mit Chef und Kollegen nach Feierabend, erscheinen mir sehr fragwürdig. Glücklicherweise befinde ich mich in der luxuriösen Position, das Land als Freizeithabende kennen zu lernen und genieße es sehr, mir bei meinen ausgiebigen Erkundungen viel Zeit lassen zu können. Im Folgenden möchte ich einen Einblick in meine Erlebnisse der letzten Wochen geben, mit vielen schönen Bildern – denn eine einmalige Fotokulisse bietet Japan allemal!
An hina matsuri, dem Mädchentag, werden in den Schreinen und zu Hause in farbenprächtige Kimonos gekleidete Puppen aufgestellt, die die Kaiserfamilie und den Hofstaat repräsentieren. Der Kimono der Darstellerin, die beim Festakt die Kaiserin verkörpert, besteht an diesem Feiertag aus zwölf Lagen Seide.
Ein Wochenende habe ich mit einem deutschen Freund, der für ein Praktikum nach Südkorea gezogen ist, in Kyoto verbracht. Dabei war es besonders spannend, die in Japan und in Korea gewonnenen Eindrücke zu diskutieren und zu vergleichen. In kulinarischer Hinsicht hat hierbei Japan den Sieg davongetragen. In der Burg nijo-jo konnten wir Wandgemälde mit Pinien, Kirschblüten, Vögeln und Tigern bewundern. Oft sind die Motive direkt auf unbehandeltes Holz gemalt. Der Burggarten wird, wie jede japanische Grünanlage, genauestens gepflegt, geschnitten und in Form gehalten.
Im Norden von Kyoto besichtigten wir “das schönste Bauwerk Japans”, den goldenen Pavillion im Tempel kinkaku-ji. Auf seinem Dach thront ein Phönix mit ausgebreiteten Schwingen.
Auch der fushimi inari, ein der Reisgöttin Inari geweihter Schrein, darf bei einem Sightseeing-Wochenende natürlich nicht fehlen. Am frühen Morgen, vor dem Eintreffen der Besuchermassen, erklommen wir in einem etwa einstündigen Spaziergang den Berg. Die vielen orangenen Torii, die man dabei durchschreitet, wurden von Familien oder Firmen gespendet. Dabei belaufen sich die Kosten, je nach Größe des Tors, auf 1500-10000€.
Einen ganz besonderen Tag verbrachte ich mit Nobukatsu und Arisa vom Rotaractclub bei einem Schreinfest in Suita. Nachdem ich meine Kalligraphie-Kenntnisse vertiefen, meinen Namen in Kanji lernen und mich in der Holzschnitzerei üben konnte, durfte ich zusammen mit einer japanischen Besucherin in die Rolle einer Miko schlüpfen. Miko sind junge Frauen, die in Schreinen arbeiten und dabei sowohl religiöse als auch praktische Aufgaben übernehmen.
Wir wurden von zwei Damen angekleidet und sehr sorgfältig frisiert und mussten jeglichen persönlichen Schmuck ablegen. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit erhielten wir eine ausführliche Einweisung in die verschiedenen Tätigkeiten einer Miko.
Wir lernten, wie man sich beim Betreten des Schreins die Hände und den Mund wäscht und diese mit speziell gefalteten Papiertüchern abwischt. Im Schrein werden den Göttern unter anderem tamagushi-Zweige geopfert, die mit gefalteten Dekorationen verziert werden. Der Hof will gefegt werden, und die Rituale des Sake-Einschenkens bei z.B. Hochzeitszeremonien folgen festen Regeln.
Nachdem wir unser Bestes gegeben hatten, die verschiedenen Abläufe inklusive Verbeugen und Klatschen weitestgehend zu verinnerlichen, durften wir – sehr aufregend! – im Inneren des Schreins während einer kleinen Zeremonie mit dem Shintopriester unsere dekorierten Zweige opfern. Herzlichen Dank an Nobukatsu und Arisa für den erlebnisreichen Tag!
Von der traditionellen Shinto-Welt ging es direkt weiter zum Nippombashi Street Festa, dem jährlichen Cosplayfestival in Osaka. Dort wurden perfekt inszenierte Kostüme aller Art zur Schau gestellt, die ich als (immer noch) Anime-Unerfahrene leider allesamt nicht zuordnen konnte. Eventuell ist es an der Zeit, sich auch für diese Seite der japanischen Kultur zu öffnen…
Einen sehr netten Sonntag verbrachte ich mit Herrn und Frau Kitano, die ich bereits beim Besuch der Rotarier in Grünwald letzten Herbst kennen gelernt hatte. Die beiden luden mich nach Hause zum Tee trinken ein, wobei es für mich sehr spannend war, ein japanisches Haus von innen zu sehen. Danach brachen wir auf zum Wasserfall Minō. Nach einem einstündigen Spaziergang stärkten wir uns mit einem exzellenten Kayseki-Menü. Sesamtofu, Babybambus, Thunfischsashimi, Muscheln, Tempura, Oktopus – es war alles so lecker! Die Konversation fand gemischt auf Englisch und Japanisch statt und es war eine tolle Möglichkeit für mich, mein Japanisch anzuwenden und zu üben. Ich hatte einen super schönen und sehr interessanten Tag, vielen Dank dafür!