☆☆☆ Dritter Bericht von Christina Neumayer, zwanzigste Stipendiatin der Grünwald Stiftung ☆☆☆
Der erste Monat verging wie im Flug und nachdem ich „gefühlt“ schon jeden Golfplatz in Japan gespielt hatte, beschloss ich im Oktober auch noch jeden Tennisplatz zu spielen. So lernte ich noch weitere Menschen kennen und nahm an einem Tennis Match gegen den Bürgermeister von Suita und seine Kollegen teil. Ich durfte sogar mit Takto, einem japanischen Freund, bei einem Double-Turnier in Akashi mitspielen und genoss auch hier die Gastfreundschaft der Japaner sowie deren großes Interesse an mir. Wir verständigten uns über Gesten und Mimik und Google Translate half an der ein oder anderen Stelle auch weiter. Jedenfalls waren die gemeinsamen Zeiten auf dem Tennisplatz immer sehr schön und ich fühlte mich oft, als wären wir alle eine große Familie – egal war, dass ich die Menschen erst seit einer Stunde kannte.
Generell gibt es meiner Meinung nach kaum etwas Sinnvolleres, als in fremden Ländern mit fremden Menschen Sport zu machen. Denn Sport verbindet: man lernt die Mentalität kennen, den Ehrgeiz, die Fairness und versteht sich, auch ohne die gleiche Sprache zu sprechen. Man verfolgt ein gemeinsames Ziel, nämlich Spaß zu haben und den Alltag sowie die Geschehnisse in der Welt für eine gewisse Zeit hinter sich lassen.
Seit diesem Monat habe ich auch endlich Sprachunterricht. Das ist sehr sinnvoll und wichtig, denn das Leben in Japan ist deutlich einfacher, wenn man wenigstens etwas Japanisch kann. Die ersten 90 Minuten fühlten sich jedoch an, wie 2 Wochen, da wir ganz entspannt die komplette Hiragana, wie auch Katakana Schrift besprachen und auch lernten, uns auf Japanisch vorzustellen… Das japanische Alphabet besteht hauptsächlich aus drei verschiedenen Schriften, nämlich den beiden Silbenalphabeten Hiragana und Katakana und den aus China stammenden Kanji Schriftzeichen. Hiragana und Katakana bestehen jeweils aus knapp 50 “Buchstaben“ oder Silben, wobei Hiragana für ursprünglich rein japanische Wörter und Katakana für nicht traditionell japanische Wörter verwendet wird. Ich lernte also gleich „zum warm werden“ 100 neue Schriftzeichen und freute mich dann später, wenn ich unterwegs diese Schriftzeichen auch wiedererkannte und „lesen“ konnte.
Auch ging im Oktober das neue Uni-Semester los, sodass ich dank Herrn Aochi (Deutschlehrer an der Kyoto Prefecture Universität (KPU)) einige Studierende kennenlernen konnte mit denen ich japanische Süßigkeiten, wie Warabimochi (eine geleeartige japanische Süßigkeit in Form kleiner Klöße, die Hauptzutaten sind Stärke aus Adlerfarn, Wasser und Zucker sowie Sojamehl), Kakigori (ein japanisches Wassereis mit Sirup, Milch und der roten Bohnenpaste Anko) oder Matcha Cake aß. Auch lud mich Herr Aochi zu sich nachhause zu einem ausgefallenen, traditionellen, japanischen Abendessen in seinem eigenen Tempel ein. Ich lernte seine Frau, seinen Sohn und die Schwiegertochter sowie das Enkelkind kennen und fühlte mich auch hier sehr willkommen.
Die regelmäßigen Ausflüge nach Kyoto nutzte ich auch, um die Stadt noch besser kennenzulernen und zu „er-leben“. Also nahm ich an einem Ikebana Kurs teil, besuchte den Kinkakuji Tempel, den Arashiyama Bamboo Forest, den Garten des Tenryu-ji und die Ruinen der Kotokiki Brücke. Ikebana (japanisch 生け花 auch いけばな, wörtlich „lebende Blumen“) ist die japanische Kunst des Blumenarrangierens und gilt als Ausdruck der Ästhetik. Es gibt sie seit dem 7. Jahrhundert und über die Jahrhunderte entwickelten sich eigne Ikebana Schulen, die sich durch die Verwendung verschiedener Techniken und Materialien unterscheiden. Der Kinkakuji Tempel, auch bekannt unter „goldener Pavillon“, ist seit 1994 UNESCO Weltkulturerbe. Er „verdankt“ seinen Namen, der so viel wie „Tempelbrand“ bedeutet, dem Tempel-Brand von 1950. Auf der Suche nach weiteren UNESCO Weltkulturerben besuchte ich mit Herrn Bessho, einem guten Freund und ehemaligen Kollegen von Herrn Okamoto, das Schloss Himeji, welches 1601 (am Anfang der Edo-Zeit) von Ikeda Terumasa erbaut worden ist und den Anfang einer neuen Ära, einer Ära ohne Krieg, kennzeichnen soll. Daher ist das Schloss auch weiß (traditionell, japanische Schlösser sind normalerweise holzfarben gewesen) – es symbolisiert neue Zeiten. Was das Schloss weiterhin sehr besonders macht, ist, dass es den zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hat und sogar trotz eines Jahrhundert-Erdbebens (1995) unversehrt blieb. Eine Sage schreibt, dass sogar eine offene Flasche Sake auf dem Altar in dem Schloss stehen blieb, während die gesamte Hyogo Präfektur schwer durch das Beben beschädigt worden ist… Das Schloss ist also nicht ohne Grund das erste UNESCO Weltkulturerbe in Japan (seit 1993).
Den Tag beendeten Herr Bessho und ich bei einem gemeinsamen Abendessen mit Herrn und Frau Okamoto. Es gab Fugu (Kugelfisch), eine typisch japanische Spezialität. In Japan gilt der Verzehr des Fugu Kugelfischs als wichtiges Kulturgut und luxuriöses Essen zugleich. Wir aßen Fuguhaut (gegart), Fugu Sashimi und schließlich noch Fugu im Sumo Topf geköchelt. Ein sehr leckeres und garantiert einmaliges Erlebnis, worüber ich sehr dankbar bin. Zuletzt lud mich Herr Bessho noch zu einer zweistündigen Karaoke-Session ein – denn, das Singen hält, laut Herrn Bessho fit, jung und gesund – da bin ich natürlich gerne dabei 😊
Auch machte ich einen erneuten Ausflug zu Frau Ikawa nach Kobe, diesmal allerdings nicht, um Deutschunterricht zu geben, sondern um zusammen mit der katholischen Gemeinde Curryreis für insgesamt 90 Bedürftige zu kochen und anschließend zu verteilen. Es war ein ganz besonderes Gefühl, gemeinsam mit so freundlichen und engagierten Menschen zu kochen und anschließend den bedürftigen Menschen das Essen zu überreichen und ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Der Hunger war groß und das Essen kam sehr gut an, sodass wir einigen noch eine Okawari (zweite Portion) geben konnten.
Weiterhin nutzte ich die Zeit, um das Umland von Osaka zu erkunden. Zusammen mit Freunden der DZGO (eine Sprachschule für Deutsch in Osaka) ging es nach Wakayama (Süden von Osaka). Toshi, Alina, Elena, Takto und ich besuchten den Hafen von Kada und wanderten zur Miyama Gun Battery site – einem Waffenlager aus dem zweiten Weltkrieg. Außerdem nahmen wir ein Onsen Bad (heißes, natürliches Quellbad) in Kyukamura Kishu Kada. Das war mein erstes Onsen und wir genossen einen tollen Ausblick aufs Meer. Das Onsen war eines, dessen Wasser Natriumhydrogencarbonat enthielt (Tansan suiso en-sen) – insgesamt gibt es aber 10 verschiedene Arten von Onsen, das wohl bekannteste ist das Iou-sen mit Schwefel (aus Vulkanaktivität).
Mit Herrn Okamoto ging es außerdem nach Miyama (nödlich von Kyoto in den Bergen). Das Örtchen ist bekannt für seine Strohdächer (kayabuki) und die wunderschöne Lage in der Natur auf dem Land. Hier wird traditionell Landwirtschaft betrieben und es gefiel mir sehr, einmal in ein japanisches Dorf mit alten, traditionellen Häusern und Bauern, die ihre Äcker bewirtschaften, einzutauchen. Durch die Berge fuhren wir weiter zum Mount Kurama. Am heiligen Kibune Fluss vorbei erreichten wir den dreiteiligen Kifune Shrine (Main, Yui o Yashiro und Okunomiya) und fuhren weiter zum Kurama-dera Tempel auf dem Gipfel des Kurama Berges. Das Besondere hier ist, dass der Tempel vom 12. Jahrhundert bis 1949 der Tendai Sekte (Unterordnung der Shoren-in) gehörte. Dann wurde dort eine eigene religiöse Richtung, gegründet – die der Jianzhen Disziplin. An diesem Tag spürte ich die einzigartige Spiritualität und Magie der Orte und ich glaube ein solch authentisches Japan, in seiner Stille und Natürlichkeit werde ich so bald nicht mehr erleben. Außerdem nutzte ich die noch nicht verplanten Zeiträume, um weiterhin die Stadt Osaka zu erkunden. Dank einiger sehr netter Menschen, die ich über Stammtische der Deutsch-Japanischen Gesellschaft oder ähnliche Veranstaltungen kennenlernen durfte, war ich auch nie allein. Elena und ich besuchten beispielsweise die Kunstinstallation der TeamLab in Osaka. TeamLab (seit 2001) ist ein internationales Kunstkollektiv, eine interdisziplinäre Gruppe von Künstlern, Programmierern, Ingenieuren, CG-Animatoren, Mathematikern und Architekten, deren gemeinsame Arbeit das Zusammenwirken von Kunst, Wissenschaft und Technologie mit der natürlichen Welt thematisiert. Im botanischen Garten der Stadt gibt es einige Licht- und Bildinstallationen, die in der Natur und durch den Menschen zum Leben erwacht werden. Zusammen mit Freunden der deutsch-japanischen Gesellschaft ging es auch ins Cupnoodle Museum in Osaka, Ikeda, dem Geburtsort der Instant Nudeln. Am 25. August 1958 hat Momofuku Ando (1910 – 2007) hier die ersten Instant Nudeln der Welt entwickelt (Chicken Ramen), die bis heute unter dem Firmennamen Nissin Foods vertrieben werden. Maki, Hokoshi, Franz und ich konnten sogar unseren eigenen Nudel Cup designen und mit verschiedenen Toppings befüllen. Schließlich durfte ich Herrn und Frau Okamoto zu ein paar (deutschlandbezogenen) Veranstaltungen begleiten. Es gab zum Beispiel ein deutsches Fest mit deutschem Wein & Abendessen. Nachdem wir dem Gesang deutscher Lieder gelauscht hatten, gab es ein Bier. Natürlich fehlte auch hier „(k)ein Prosit“ und wir stießen bei „1,2,3 Gsuffa!“ alle gemeinsam an. Zusammen mit einer Weinprobe gab es noch deutsches Essen: Spargel (im September (?)) mit Sauce Hollandaise, Schweinshaxn, Würstchen, Schwarzwälder Kirsch Torte und natürlich Baumkuchen. Baumkuchen ist dank des deutschen Konditor Karl Joseph Wilhelm Juchheim seit 1919 in Japan sehr bekannt und wird gerne gegessen – eine „süße Verbindung“ zwischen den beiden Kulturen.
Weiter wurde ich zu einem Empfang zum Tag der deutschen Einheit ins Hotel Conrad in Osaka eingeladen. Hier sprach ich mit einigen interessanten Vertretern aus Wirtschaft, Kultur und verschiedenen Bildungseinrichtungen.
Die erste Hälfte meines Aufenthalts ist leider jetzt schon vorbei und ich freue mich auf die kommenden sechs Wochen voller Erlebnisse und neuer Bekanntschaften. Die Zeit in Japan, mit so vielen einmaligen Möglichkeiten, ist ein großes Geschenk und ich bin jeden Tag Herrn Okamoto und der Grünwaldstiftung für diese Möglichkeit sehr dankbar.