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☆☆☆Zweiter Bericht von Vincent Quiring, vierundzwanzigster Stipendiat der GRÜNWALD STIFTUNG☆☆☆

Ehe Ich mich versah, war es an der Zeit, das Kalenderblatt abzureißen. Weitere zwei Wochen in Japan waren vergangen. Die Zeit, die ich hier verbringe, scheint unglaublich schnell zu verstreichen- einem Wimpernschlag gleich. Ich habe das Gefühl, die Präsenz des Moments oft an mir vorbeifliegen zu sehen. Es ist schwer, im hier und jetzt zu leben, wenn das hier und jetzt doch so schnell vorüber ist. Soeben sitze ich im Nozomi 212, einem Shinkansen auf dem Weg nach Tokio, wo ich die kommende Woche mit einem Freund aus Deutschland verbringen werde, welcher sich glücklicherweise entschloss, in Japan Urlaub zu machen. Mithilfe des Einflusses von „A Momentary Lapse of Reason“ von Pink Floyd, schwelge ich nun in Erinnerungen und versuche, die letzten aufregenden zwei Wochen zu rekapitulieren.

Ryla. Dank der Unterstützung von Rotary, wie auch der Hilfe durch meinen exzellenten, mittlerweile japanischen Lehrer und Ratgeber Herrn Okamoto erfuhr ich das Privileg, am jährlichen Ryla Seminar, welches sich über drei Tage erstreckte, teilzunehmen. Das Seminar machte sich dieses Jahr zum Ziel, essenzielle Werte, wie zwischenmenschliche Kommunikation, interkulturelle Verbindungen und die Bedeutung von „leadership“ und Gemeinschaft, in Anwesenheit junger, innovativer Persönlichkeiten, neu zu definieren. Da ich erst ein paar Tage vor Beginn des Seminars von seiner Existenz und meiner Teilnahme erfuhr, hegte ich keine allzu großen Erwartung. Wahrscheinlich war dies auch der Grund, weshalb ich im Nachhinein umso überzeugter und überraschter war.

Ich war sehr beeindruckt, wie es möglich war, in ein paar Tagen ein Gefühl von zwischenmenschlicher Bindung und Gemeinschaft innerhalb meiner persönlichen Gruppe zu konstruieren, welches mich nach Beendigung des Seminars wehmütig, alleine in meine leere Wohnung treten ließ. Wie bereits im letzten Bericht beschrieben, ist es japanischen Menschen ein Leichtes, einem Gast das Gefühl von Sicherheit, Zuneigung und Wärme zu vermitteln. Nicht zu unterscheiden war meine Erfahrung während Ryla. Trotz erheblicher Sprachbarrieren, da das Seminar für japanisch Sprechende ausgelegt war, schloss ich jedes meiner Gruppenmitglieder in kürzester Zeit in mein Herz. Zusammen erschlossen wir spielerisch und durch kleine gestellte soziale Experimente die wahre Bedeutung einer leitenden Instanz einer Gruppe. Hierbei handelt es sich nicht um eine Person, welche durchtrieben ihre eigenen Ziele verfolgt und die Gruppe als Instrument benutzt, diese zu erreichen. Wahre Größe kann nur erlangt werden, wenn die schwächsten Glieder einer Gruppe erhört und auch ihnen eine Möglichkeit gegeben wird, ihre Meinungen und Wünsche zu äußern. Ein „Anführer“ ist jener, welcher das Wohl der Gruppe über sein eigenes stellt. „Never stop talking“ (Ein Zitat aus einem Pink Floyd Song  ) machten wir zu unserem Gruppenslogan. Alle menschlichen Errungenschaften konnten nur durch fortwährende Kommunikation erreicht werden. So war auch uns das Gut der Kommunikation ein äußerst wichtiges, wenn auch mithilfe der Technologie eines Übersetzers…

(“Never stop talking” – Gruppe Ryla)

(Gruppenaufgabe: Turmbau)

(Ryla Abschlussfeier & Zertifikatsübergabe)

 

In den darauffolgenden Tagen hatte ich das Vergnügen, Professor Aochi und seine Schüler in Kyoto zu besuchen. Als eine Person, welche schon nach einem Monat Aufenthalt in Japan, das Land, die Menschen und die Kultur mehr zu schätzen weiß, als die Eigenen zuhause, ist es für mich unglaublich interessant, Deutsch- Studierenden zu begegnen. Oft frage ich, woher die Begeisterung und das Engagement für Deutschland kommt. Meistens, so habe ich erfahren, ist es die Literatur, die Kunst, die Musik. Dies, so muss ich gestehen, ist mir im Nachhinein, als großer Enthusiast für allerlei Literatur und Kunst im Allgemeinen sehr einleuchtend. Ich wünsche, Deutschland in den Augen von Deutsch-Interessierten zu sehen, um Dinge aufzudecken, welche ich selbst schon lange nicht mehr offenkundig sehe.

Mit Professor Aochi besuchten wir mehrere heilige Stätten. Im Zuge dessen, kam ich in den Genuss, mein Glück, dank eines Omikuji, einem Wahrsagelos, für den Rest des Jahres voraussagen zu lassen. Wir kauften uns jeder ein solches Los und legten es anbei in ein fließendes Gewässer des Schreins. Gebannt hofften wir alle auf großes Glück, wenn auch wir dies nicht alle bekamen. Zu meinem überraschen, als ich mein Los ins Wasser legte, sprang meine Begleitung neben mir auf und teilte mir mit, dass ich die bestmögliche Wahrsagung erhielt. Ich war unglaublich erstaunt und fühlte mich sehr geehrt beim Blick auf die ganzen schlechten Lose, welche ein paar Meter weiter an einer Stange hingen. Erfüllt mit positiven Gefühlen und Dankbarkeit fuhr ich am Abend wieder nach Hause.

(Shimogamo-Jinja Schrein)

(Omikuji im Shimogamo-Jinja Schrein)

(Studentengruppe Kyoto Universität)

 

Kurz nach diesem prägenden Ereignis, lud mich Frau Ikawa ein, mit einem anderen Studenten, namens Shota, eine Erkundungstour durch Kobe zu unternehmen. Unser kleiner Ausflug reichte vom Besuch der Schule Frau Ikawas und ihren äußerst freundlichen Schülern, bis hin zum Besuch des Hafens, als auch der Wanderung auf die Rokko Berge. Es war mir eine große Freude, geleitet von Einheimischen, die japanische Vielfalt aus nächster Nähe betrachten zu können. Sowohl die charmante urbane Struktur Kobes, als auch die mystische, flüsternde Natur, mit ihren üppigen Bäumen und grenzenlosen, dichten Pflanzen und Sträuchern, gaben mir inspirierende Gedanken. Ich habe den Tag sehr genossen und erfreue mich an den vielen Kleinigkeiten, die ich an jenem Tag über mich, aber auch über die japanische Kultur lernte.

(Hafen von Kobe)

(Mittagessen in ChinaTown)

(Gondelfahrt auf Berg Rokko)

(Wanderung hinab ins Tal)

 

Als ich am Ende der Woche mit Herrn Okamoto einen Termin beim deutschen Generalkonsulat hatte, war ich sehr erstaunt wie fern mir Deutschland in den vergangenen Tagen war und wie schön, gleichzeitig seltsam es war, mit deutschen Personen sprechen zu können. Im wunderschönen Büro Frau Saxingers, unterhielten wir uns mit der aufgeweckten, engagierten deutschen Generalkonsulin über die Unterschiede und mögliche Herausforderungen bei einem Aufenthalt in Japan, doch gleichzeitig über die vielen wundervollen Erfahrungen und Chancen, die dieser doch bietet. Wir kamen auf den Entschluss, dass sich Deutschland in vielerlei Hinsicht ein großes Beispiel an der japanischen Mentalität und dem sozialen Miteinander nehmen kann.

Gebannt blicken wir zudem den Ergebnissen der japanischen Wahl entgegen, welche in den kommenden Wochen stattfinden soll. Die Ergebnisse des Wahlkampfes werden wohl auch eine Antwort auf regionale Sicherheitsbedenken geben, welche momentan in der japanischen Bevölkerung kursieren. Wir warten also ab.

Ich möchte mich für die Zeit im Generalkonsulat bedanken. Es war mir eine große Ehre!

(Treffen mit Generalkonsulin Melanie Saxinger)

 

Zuletzt will ich noch ein paar Worte an Frau Maki Noyama richten, welche mich zu einem kleinen lokalen Konzert, ihr bekannter Künstler einlud. Reizend war die Mischung aus europäischen Liedern, versehen mit einer japanischen Note aus Grazie und farbenfroher Fantasie. Ich lauschte gebannt den vertrauten und doch, dank der japanischen Übersetzung, fremden Klängen und wurde mir erneut über die unglaubliche Wirkung von Musik bewusst, welche übergreifend jeder Kultur und Hintergrund, Menschen miteinander verbinden kann. Ich war sehr glücklich diese Performance miterleben zu dürfen. Im Anschluss besuchten wir ein örtliches kleines Café. Charmant und freundlich waren sowohl Inhaber als auch Angehörige und verwöhnten uns mit allerlei kulinarischen kleinen Eindrücken. Zudem, dies schmeichelte mir sehr, fing der Inhaber des Cafés plötzlich an, nachdem wir lange über Musik und das Spielen von Instrumenten redeten, selbst eine Gitarre von der Wandhalterung zu nehmen und für uns ein paar Lieder zu spielen. Sehr gerührt lauschte ich den warmen und einfühlsamen Klängen der Gitarre, welche zusammen mit seiner lieblichen, rauen Stimme eine Kontingenz der Gefühle hervorrief. Ich war den Tränen nahe, als der letzte Ton seine Lippen verließ. Dieser kleine, spontane Moment, rief in mir so viel Freude hervor. Bestärkt vom Gedanken, selbst ein Instrument spielen zu lernen, ging ich an diesem Abend erfüllt nach Hause. Für einen kurzen Moment lang, konnte ich das Glitzern in den Menschen sehen, welches heutzutage nur noch selten zum Vorschein zu kommen scheint.

(Konzert Suita Art)

(Café Besuch nach dem Konzert)

 

Ich danke für die vielen verschiedenen Eindrücke und hoffe stark auf Weitere.

Vielen Dank!

Vincent Quiring