☆☆☆Dritter Bericht von Daniel Gottstein, 25. Stipendiat der GRÜNWALD STIFTUNG☆☆☆
Dritter Stipendiatenbericht – Daniel Gottstein
Vor zwei Wochen wurde mit Sanae Takaichi erstmals in der Geschichte Japans eine Frau in das Amt der Premierministerin gewählt. Dies möchte ich zum Anlass nehmen, in meinem dritten Bericht meine Eindrücke zu dieser historischen Wahl zu schildern.
Die Euphorie über die neue Regierungschefin ist groß – ihr Gesicht ist in sämtlichen Medien präsent. Auf dem Bildschirm eines von mir häufig besuchten Cafés scheint Takaichi der Dreh- und Angelpunkt der Berichterstattung zu sein: Die meisten Beiträge zeigen sie bei ihren zahlreichen ersten Begegnungen mit ausländischen Staatsoberhäuptern.
Besonders interessant finde ich den Unterschied in der Wahrnehmung und Darstellung der Premierministerin zwischen Deutschland und Japan. In westlichen Medien, die mir zur Verfügung stehen, begegnen mir häufig Begriffe wie rechtskonservative Gesinnung, Japan First oder strenge Migrationspolitik. Diese werden meist im Zusammenhang mit der Sorge um mangelnden Fortschritt, traditionelle Geschlechterrollen und die Folgen der demografischen Überalterung genannt – und damit verbunden die Frage, ob Japans strikte Einwanderungspolitik langfristig Bestand haben kann.
Deutlich positiver fallen hingegen die Reaktionen aus, die ich in Gesprächen mit Japaner:innen wahrnehme. Takaichi wird – im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Ishiba – als würdige Vertreterin des Landes gesehen. Ihre konservative Haltung wird vor allem als Beitrag zum Erhalt der japanischen Kultur und zur stärkeren Abgrenzung von China verstanden. Auch ihre Auffassung zu Geschlechterrollen findet auf beiden Seiten Zuspruch. Insgesamt scheinen sich weniger Frauen, als ich es aus Deutschland gewohnt bin, mit feministischen Gedanken zu identifizieren. Dass nun erstmals eine Frau an der Spitze des Landes steht, wird jedoch allgemein als sehr positiv empfunden – darin sind sich westliche Medien und Japaner:innen einig.
In allen Gesprächen, die ich über die Premierministerin geführt habe, wurde ausschließlich positiv über sie gesprochen – was sich auch in ihrer hohen Zustimmungsrate widerspiegelt, die offenbar bei bis zu 90 % liegt. Was genau in den japanischen Medien berichtet wird, kann ich zwar sprachlich noch eher erahnen als verstehen, doch auch dort habe ich den Eindruck, dass die Berichterstattung überwiegend wohlwollend ist.
Neben diesem politischen Ereignis wurden meine vergangenen zwei Wochen vor allem durch den Yodogawa Citizens Marathon geprägt, der als Paradebeispiel für die beeindruckende Organisation in Japan gelten kann. Klare Anweisungen im Vorfeld, Hilfestellungen für Teilnehmende ohne Japanischkenntnisse und eine eindeutige Beschilderung sorgten dafür, dass der Lauf mit über 5000 Teilnehmer:innen auf die Sekunde genau starten konnte – kein Zufall, sondern das Ergebnis sorgfältiger Planung.
Besonders hervorzuheben war das gemeinsame Aufwärmprogramm mit der japanischen Olympiasiegerin über die Marathondistanz von 2000, Naoko Takahashi. Abgerundet wurde das Event durch den Auftritt einer Blaskapelle – insgesamt eine äußerst positive und eindrucksvolle Erfahrung für mich.
Anbei folgen einige Eindrücke aus Japan.
Nara, Tōdai-ji
Nara, Hōryū-ji
Kobe, Venus Brücke
Biwa See
Minoh, Ryuan-ji
Minoh
Kyoto, Hiei-San
Osaka, Osaka-Burg
Ich bin gespannt, was die kommenden Wochen noch für mich bereithalten, und freue mich sehr auf die zweite Hälfte meines Aufenthalts.