☆☆ Vierter Bericht von Anjuli Franz, dreizehnte Stipendiatin der Grünwald Stiftung ☆☆
Meine erste Reise außerhalb der Kansai-Region führte mich mit dem JR-Pass eine Woche Richtung Westen. Nach einer Wanderung durch Japans größte Tropfsteinhöhle Akiyoshidai und das umliegende Land verbrachte ich zwei Tage in Nagasaki. Während der Isolationspolitik von 1630-1853 war diese Stadt das Tor zur Außenwelt, hier fand beschränkter Kontakt und Handel mit unter anderem China, Korea, den Niederlanden und Portugal statt. Später siedelten sich vermehrt Europäer an, unter anderem der deutsche Arzt Franz Philipp von Siebold, dessen umfassende Erforschung von Land und Leuten den Europäern erste Kenntnisse über Japan lieferte.
In der Stadt finden sich viele Zeugnisse regen Austauschs mit dem Ausland, wie zum Beispiel alte Villen im holländischen Stil, Kirchen und portugiesischer Kuchen. Einen tollen Einblick in die chinesische Kultur bildet der Konfuziusschrein mit einem kleinen Museum chinesischer Kunst. Hier konnte ich beim Kopieren von Konfuzius’ Lehren an meiner Pinselhaltung feilen…
Den Aufenthalt in Nagasaki empfand ich als sehr spannend und lehrreich. Es war beeindruckend, über die ersten Beziehungen zwischen Europa und Japan zu lernen, welche damals von noch viel größeren kulturellen Unterschieden geprägt waren als heute.
Die nächsten Stationen meiner Reise waren Fukuoka und Hiroshima. Ich besichtigte verschiedene Tempel, die sich in ihrer Innenausstattung und Gartengestaltung oft von denen unterscheiden, die ich bisher in Kyoto kennen gelernt habe, und das Peace Museum, das sich mit dem Atombombenabwurf 1945 beschäftigt. In letzterem wurden die geschichtlichen Ereignisse durch Ausstellungsstücke und Zeitzeugenberichte sehr anschaulich und berührend dargestellt, jedoch fehlte mir eine tiefergehende politische Diskussion.
Auf der Insel Miyajima erklomm ich den Berg Misen, von dem ich aus 530 m Höhe einen tollen Blick auf die umliegenden Inseln und das bekannte im Wasser stehende Torii hatte.
In der Stadt Kurashiki gibt es ein aus der Edozeit erhaltenes Altstadtviertel mit vielen alten Wohn- und Lagerhäusern, welches hübsch, aber leider touristisch recht überlaufen ist. Den letzten Tag vor meiner Rückkehr nach Osaka verbrachte ich auf den Inseln Teshima und Naoshima, auf denen es eine große Anzahl zeitgenössischer Kunstinstallationen und Museen zu erkunden gibt, unter anderem den gelben Kürbis der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama. Besonders das Chichu Art Museum mit seinen Werken von James Turrell und den schlicht und schön inszenierten Seerosenbildern von Monet hat es mir angetan.
Nach einer Woche Hostel-Leben genoss ich meine gemütliche Wohnung in Suita umso mehr und freute mich auf meinen Alltag, hauptsächlich bestehend aus Japanisch lernen (mittlerweile treffe ich mich regelmäßig mit meiner Tandempartnerin Rika, was viel Spaß macht), Kyoto erkunden (ein Fass ohne Boden) und japanisch-ausländisch-gemischten Freizeitaktivitäten (Volleyball, Wandern, …). Bald ging es jedoch schon los auf Reise Nummer 2, diesmal Richtung Osten: Zwei Tage verbrachte ich in Nikko, besichtigte den beeindruckenden Toshogu-Schrein und traf bei einer Wanderung in den Bergen auf unerwartet viel Schnee.
Zwei Zugstunden weiter südlich traf ich mich mit Jonas, einem Freund aus Deutschland. Er kam für zwei Wochen zu Besuch, und gemeinsam erkundeten wir zuerst Tokio und dann die Kansairegion. In Tokio war eines meiner Highlights der weltgrößte Fischmarkt Tsukiji, der eine spannende Atmosphäre und viele fremdartige Meerestiere bietet. Das frischer als frische Sushifrühstück war bisher das leckerste, was Japan fischtechnisch zu bieten hatte. Auch Yokohama, mit seiner prägnanten Skyline, ist eine tolle Stadt und viel ruhiger als Tokio.
Ein weiterer Tagesausflug führte uns nach Kamakura zu Daibutsu, einer beeindruckend großen Buddhastatue aus dem 13. Jahrhundert. Pünktlich zu Jonas’ Ankunft startete die Kirschblüte und bescherte uns eine tolle Kulisse bei jeder Sehenswürdigkeit, die wir besichtigten, wie zum Beispiel dem Himeji-Schloss. Zurück in Osaka trafen wir uns mit einer japanischen Bekannten und kochten zusammen Kushikatsu.
Zwei Tage verbrachten wir in einem Gästehaus in einem kleinen Dorf bei Nantan, wo uns ein sehr nettes Ehepaar in die Kunst der Shiitakezucht, Bambusschnitzerei (nun sind wir stolze Besitzer eigen hergestellter Essstäbchen), Mochi-Produktion, Kräuterkunde, Moosbonsai- und Weidenkorbherstellung einführte. Diese Zeit bot uns nach dem Trubel in Tokio eine sehr gute Erholung und es war sehr spannend, über das traditionell japanische Handwerk, Gebräuche und Traditionen zu lernen. Vielen Dank an Kati, die neunte Stipendiatin der Grünwaldstiftung, für die Empfehlung!